Der volkswirtschaftliche Ausblick ähnelt einem Ritt auf der Rasierklinge

Blick aus der Frauenkirche
16. Mai 2022

Ein ganzes Bündel von Risiken drückt aktuell die Entwicklung der Konjunktur und das Geschehen an den Kapitalmärkten.

Frauenkirche

Trendbestimmend ist sicherlich der Russland-Ukraine-Krieg und seine ökonomischen Folgen. Der Preisschock für uns Konsumenten sitzt seit der explodierenden Rohstoffpreise tief. An der Supermarktkasse dominiert noch das Ungemach über die soeben angehobenen Mietnebenkosten, der Blick in die Regale zeigt bei Obst, Gemüse und Molkereiprodukten aktuelle Verteuerungen von mindestens 20% gegenüber der letzten Jahreshälfte 2021. Von einer allgemeinen Teuerung von 7,8% ist die Rede, die direkte Verteuerung der Lebenshaltungskosten liegt jedoch jenseits dieser Zahl. Denn wer genau hinschaut, merkt, dass auch die Speisekarte des Lieblingsrestaurants an der Ecke die lange COVID-Pause nicht ohne dramatische Anpassungen überlebt hat.

Eigentlich wollten wir freudig in den Frühling starten, die Ausgabenlaune hält sich aber angesichts der vielen Unsicherheiten in Grenzen. Hohe Inflationsraten, steigende Zinsen und gestörte Lieferketten bis hin zu Chinas-Null-COVID-Strategie belasten die globale Konjunktur. Vor dem Hafen von Shanghai warten 600 Schiffe auf Be- und Entladung, dringend benötigte Zulieferteile für die deutsche Industrie bleiben im internationalen Warenaustausch stecken. Zum einen führen die angespannten Rohstoffmärkte zu einem erheblichen Preisanstieg in den Vorprodukten, zum anderen machen Abnehmer die Sprünge von 30-70% bei Holz, Baustahl und Beton nicht einfach so mit. Halbfertige Immobilien können derzeit nicht zeitgerecht fertiggestellt werden und die vor zwei Jahren verhandelten Preise für die Erstellung werfen für die Generalunternehmer keine Gewinnmargen mehr ab. Wohl dem, der in den Verträgen eine Nachbepreisung für Materialen eingebaut hat.

Die deutsche Industrie steht zehn Wochen nach Kriegsbeginn nun vor der Herausforderung, wichtige Handelsbeziehungen zu russischen Zulieferern und Partnern relativ schnell global umzulenken. Der Gedanke ist nötig, die Umsetzung stell sich jedoch als Mammutaufgabe heraus, denn allein die Substitution von Energiekontrakten wie Öl- und Gas stößt auf weltweite Angebotsdefizite von derzeit 8 bis 13%. Die Automobilhersteller trifft es mit Kabelbäumen aus der Ukraine, den Chemieriesen BASF könnte das Wegfallen von russischen Gaslieferungen in die Knie zwingen. Verträge, die vor Jahren verhandelt wurden und sich zu festen Lieferketten etablierten, sind gefährdet und könnten sich von heute auf morgen wegen globaler Sanktionen und Gegensanktionen in Luft auflösen. Dann stehen die Bänder erstmal still und nach Monaten der pandemiebedingten Kurzarbeit wird sie erneut nötig, um die Kriegseffekte ökonomisch abzufedern.

Laut Weltbank wird das globale Wirtschaftswachstum deutlich an Dynamik verlieren. So wurde die Wachstumsprognose im BIP zuletzt von 4,1 auf 3,2 Prozent gesenkt. Auch die Welthandelsorganisation (WTO) hat vor allem wegen des andauernden Kriegs ihre Wachstumserwartungen für den Welthandel in diesem Jahr von 4,7 auf 2,5 Prozent kräftig nach unten geschraubt. Angesichts des nicht enden wollenden Konflikts werden die Volkswirte hier demnächst noch ein paar Punkte abziehen müssen und auch das nächste Jahr wird schon heute niedriger getaktet sein, als viele Marktteilnehmer es derzeit für möglich halten. Die letzte Veröffentlichung des ifo-Geschäftsklimaindex zeigte demzufolge nach dem Absturz im März nur eine leichte Erholung, zumal mittlerweile auch die bisher noch robuste Bauwirtschaft zunehmend durch Lieferengpässe in Mitleidenschaft gezogen wird.

Der mittlerweile spürbare Preisdruck für Unternehmen in Deutschland wurde bereits im März durch einen Rekordanstieg der Erzeugerpreise um 4,9 Prozent bzw. 30,9 Prozent im Vorjahresvergleich unterstrichen. Die Verbraucherpreise sind ebenfalls mit plus 7,3 Prozent weiter auf dem Weg nach oben, in den USA stieg die Inflation im März sogar auf 8,5 Prozent. Angesichts der parallel erreichten Vollbeschäftigung in Deutschland und entsprechend stark steigendem Lohndruck deutet sich ein immer restriktiverer geldpolitischer Kurs der Notenbanken an. Bei der US-Notenbank FED wird mittlerweile ein Anstieg der Leitzinsen auf mehr als 3 Prozent erwartet. Parallel soll die Bilanz beginnend ab Mai um bis zu 95 Mrd. USD pro Monat entlastet werden, das heißt die Ankäufe von Anleihen werden sich stark reduzieren. Die EZB hat mittlerweile unmissverständlich ein Ende der Wertpapierkäufe ab dem 3. Quartal in Aussicht gestellt. Auf Basis ihrer neuen Projektionen für Konjunktur und Inflation für die kommenden Jahre dürfte in der nächsten EZB-Ratssitzung am 9. Juni eine Leitzinsanhebung im 2. Halbjahr angekündigt werden.

Bauherren stehen damit einer vollkommenen Neukalkulation gegenüber. Im privaten Bereich verteuern sich die durchschnittlichen Baukosten je Quadratmeter mit plus 50% gegenüber 2020 erheblich. So wurde mit regionaler Differenzierung in Deutschland im Jahr 2019 noch mit Preisen von 1.800-2.700 Euro je Quadratmeter gerechnet. Mit der Pandemie und den aktuellen Verknappungen gibt es regionale Sprünge von 100% und darüber. Im Großraum München sind die Baukosten auch wegen der Auslastung von Handwerksbetrieben in neuen Kalkulationen bereits jenseits der 5.000 Euro-Grenze anzusiedeln. Ob sich das in naher Zukunft auch wieder in die andere Richtung bewegt, bleibt fraglich. Auf der Hypothekenseite hält der Steigerungstrend unvermindert an, die 10-jährige Kondition im Neugeschäft steigt auf ca. 2,75 Prozent.

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Fazit aus der Löwengrube

Die Entwicklung der Weltwirtschaft gleicht einem Ritt auf der Rasierklinge. Sollten die kriegerischen Konflikte die Angebotsseite weiterhin beeinträchtigen, werden die stark steigenden Preise zu einem erheblichen Konsumrückgang führen. Verbraucher sehen sich gewaltigen Verteuerungen gegenüber, die aus der persönlichen Blickrichtung nur durch Konsumverzicht kompensiert werden können. Das trifft vor allem den Luxus- und Freizeitbereich, mit zunehmender Verhärtung aber auch die Kaufentscheidungen für langlebige Wirtschaftsgüter. Entscheidend werden jetzt die Lohnverhandlungen mit den Gewerkschaften sein. Hier könnten für die Unternehmen im Schnitt 5% mehr Lohnkosten resultieren. Die Kapitalmärkte bilden die bestehenden Unsicherheiten durch hohe Volatilitäten und Risikoabschläge ab, dieses Szenario wird noch einige Monate anhalten, bis sich die Anleger auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt haben.

Die Herausforderungen wachsen, denn der Zugang zu Kapital wird in nächster Zeit mit weniger staatlicher Hilfe von Statten gehen. Wegen gestiegener Risikoparameter werden sich auch die Eigenkapital-Erfordernisse samt Besicherung anpassen müssen. Viele private Finanzierungen, die vor 3 Monaten noch als machbar erschienen, verteuern sich nun um 25% auf die Gesamtlaufzeit gerechnet – das vertragen nicht alle Budgets.

Kreative Finanzierungslösungen sind daher mehr denn je gefragt. Aus jahrelanger Erfahrung wissen wir: Das Umfeld wird rauer und unkalkulierbarer. Eine Standard-Finanzierung gibt es schon lange nicht mehr. Jede Unternehmenssituation muss individuell betrachtet und bewertet werden. Deshalb bieten wir Ihnen eine zielgenaue Beratung in den Bereichen Fremd- oder Eigenkapitalfinanzierung. Gemeinsam finden wir für Ihre Ideen das passende und optimale Finanzierungskonzept.


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