Die Globalisierung macht eine Rolle rückwärts

Blick aus der Frauenkirche
17. August 2022

Die seit den 80-iger Jahren schrittweise Globalisierung des Welthandels vollzieht aktuell eine zirkusähnliche Rolle rückwärts.

Frauenkirche München

Denn der nachweisbare Erfolg des deutschen Wirtschaftswunders bestand immer darin, günstige Rohstoffe und Vorprodukte aus dem Ausland zu beziehen, um sie nach Veredelung durch deutsche Ingenieurskunst und Innovationsleistungen wieder bestbietend zu verkaufen. So entstand das von Marktführerschaften geprägte deutsche Export-Wunder. Mit der Einführung des Euro und der parallel stattfindenden Abschaffung der starken D-Mark verstärkte sich die internationale Präsenz Europas auf den Weltmärkten. Aktuell sind wichtige Rohstoffe aber teuer und dringend notwendige Vorprodukte wie z.B. Halbleiter stecken in der fragilen Lieferkette fest. Die Folge ist, dass sich das ehemals erfolgreiche deutsche Geschäftsmodell derzeit ins Gegenteil verwandelt, die frühere Stärke wird zunehmend zur Last. Fast über Nacht erlebt Deutschland einen selbstverschuldeten Energienotstand, kauft sich hohe Inflationsraten durch künstlich verteuerte Rohstoffe ein und kann wegen Fachkräftemangel und Lieferschwierigkeiten seine früheren Stärken nicht mehr ausspielen. Viele Ökonomen werden weiterhin verkünden: „Der günstige Euro wird unserem Export auf die Beine helfen“, das stimmt heute aber nur noch partiell – denn dafür wären technologische Führerschaften und degressive Kostenentwicklungen nötig. In den Megatrends Digitalisierung, E-Mobilität und Klimaschutz sind aber derzeit erhebliche Zweifel angebracht, ob Deutschland hier international noch vorne mitspielt.

Die politische Zielrichtung in Europa ist nun maßgeblich durch die Klimawende und den Aufbau einer eigenen Energie-Infrastruktur geprägt. Steigende Rohstoffpreise haben die Inflation in Europa jüngst auf über 8% ansteigen lassen, das gab es seit den 80-igern nicht mehr. Mit den anhaltenden Geokonflikten weltweit trüben sich nun auch die ökonomischen Perspektiven für das globale Wachstum weiter ein. Die Deutsche Bundesbank erwartet in der zweiten Jahreshälfte für die Eurozone zunehmende Risiken für die Konjunktur und in Folge der Inflation auch eine verminderte Binnennachfrage. Im Idealfall würde aufgrund der hohen Basiseffekte aus 2022 im nächsten Jahr mit einer zumindest vorübergehend sinkenden Teuerungsrate zu rechnen sein. Profiteure wären dann wieder jene Industrien, welche aktuell unter den stotternden Lieferketten leiden und auf eine stabile Rohstoffversorgung angewiesen sind. Die Hoffnungen der Währungshüter liegen aber auch auf ein nahendes Kriegsende in der Ukraine.

Wie verzweifelt die EU nach Milliardeninvestitionen in Sachen Energieversorgung mittlerweile agiert, zeigt das traurige Beispiel der Pipeline Nordstream2, die aus politischen Gründen wohl niemals ans Netz gehen kann. Die politische Schaltzentrale in Brüssel bringt uns auch in diesem Thema nicht weiter, denn hier müsste ein Schulterschluss unter den Mitgliedsstaaten samt erweiterter EU erfolgen, der unter der Maßgabe gegenseitiger Hilfe sich klar am Ziel einer Wohlstandssicherung in Europa orientiert und partielle Länderinteressen in den Hintergrund stellt. Für solche Beschlüsse sind qualifizierte Mehrheiten ausreichend, die Partikularinteressen zwar berücksichtigt, aber unter den Scheffel des Allgemeinwohls stellt. Derzeit ist das EU-Parlament nur geeignet breite Konsensvorlagen durchzuwinken, klare und einstimmige Entscheidungen in richtungsweisenden Themen gibt es aber nicht.

Das aktuelle politische Potpourri sich hingegen an, wie ein Aufbauprogramm für Schwellenstaaten wie z.B. Brasilien, Südafrika und Indien, denn sie profitieren von verlockenden Energierabatten aus Russland und können so lang ersehnte Wettbewerbsvorteile gegenüber den etablierten Industrienationen ausspielen. Der Kriegstreiber Putin verteilt seine Anhängerschaft geschickt über den Globus und ist damit alla Long auch nicht mehr so stark auf seinen Hauptkunden Europa angewiesen. Es wäre toll, wenn Europa seitens der USA auf einen starken Partner in der Sanktionspolitik zählen könnte, doch die Vereinigten Staaten verfolgen mit ihren immensen Energiereserven eigene ökonomische Ziele und sind fern ab vom kriselnden Europa einer der Hauptprofiteure der aktuellen Lage. Die Zeche für diese globalen Ungleichgewichte wird das politisch labile Europa auf den eigenen Schultern tragen dürfen, ganz nebenbei führen die Preisanstiege aller Orten zu immensen Kaufkraftverlusten und entziehen der fragilen Konjunktur weitere Wachstumsmöglichkeiten. Die Entwicklung des Euros gegenüber wichtigen Reserve-Währungen zeichnet ein eindeutiges Bild.

Für das kontinentale Europa birgt die aktuelle Situation dennoch eine Rückbesinnungsmöglichkeit auf unsere alten Stärken. Wir haben gute Industriestandorte, ein belastbares Sozialsystem und hochwertige Ausbildungs-Institutionen. Auch die Digitalisierung und die verstärkte Investition in moderne Infrastruktur bergen noch viel Ressourcen. Mit dem industriellen Wandel zum Klimaschutz stellt sich die Energieversorgung langfristig auf neue Beine. Was jetzt noch fehlt, ist der Aufbau einer eigenen Werkbank, der die regionalen Vorteile nutzt und eine größere Unabhängigkeit von globalen Zulieferungen schafft. Wir sollten ferner – trotz aller ökologischer Vorbehalte – politisch in der Lage sein, die hausgemachte Energiekrise mit unseren fossilen Kraftwerken zu überbrücken. Die Aufgabe der Politik ist es, ökonomischen Schaden von Deutschland und Europa abzuwenden und gesellschaftliche Gefahrenpotenziale zu verringern. Wenn es notwendig ist, impliziert dies vorübergehend auch, die noch vorhandenen Wachstumspotenziale mit rauchenden Kaminen zu heben. Und wenn uns die Nutzung der Kernkraftwerke dabei über den Berg hilft, dann sollte ein gesicherter Ausstieg aus dieser Technologie auch bis 2030 aufgeschoben werden können. Warum geht Deutschland ideologisch völlig andere Wege als die Nachbarn Frankreich, Belgien und Tschechien, wenn die EU-Gesamtrisikogleichung zum gleichen Ergebnis kommt?

Die aktuellen Herausforderungen für mittelständische Betriebe sind gewaltig, denn neben den inflationären Belastungen in der Beschaffung, müssen sie auch mit höheren Zinsen und steigenden Löhnen kalkulieren. Die Zins-Hysterie konnte sich zwar in den letzten Wochen deutlich zurückbilden, dennoch stehen in der 10-Jahreskondition immer noch ganze 160 Basispunkte mehr auf der Uhr, als noch zu Jahresbeginn. Die aktuelle Zinsstruktur der USA gibt Anlass zur Sorge, denn sie könnte sich invers entwickeln und damit die Befürchtungen für eine Rezession verstärken. Allerdings wäre dies auch ein Zeichen für ein Ende der Zinsanhebungen in Übersee.

Zinschart

Fazit aus der Löwengrube

Mit dem Abschluss der Niedrigzinsphase haben sich die Voraussetzungen für die Kapitalbeschaffung zunehmend verhärtet. Heute zählen belastbare Vermögenswerte, genug Eigenkapital und ausreichende Liquidität zu den Determinanten, die den Fortbestand der Unternehmung sichern. Die betrieblichen Finanzierungsmöglichkeiten sind aber gerade im Bereich Klimaschutz mit zahlreichen Fördermitteln ausgestattet. Wer aktuell Zukunftsinvestitionen tätigen möchte, trifft derzeit auf ein äußerst dynamisches Umfeld im Bereich der nachhaltigen Finanzierungs-Möglichkeiten, welche sogar kleinere Abschläge zu den üblichen Konditionen erwarten lassen.

Der Immobilienerwerb hat sich extrem verteuert, da sich neben den Hypotheken vor allem die Gestehungskosten dramatisch nach oben entwickelt haben. Die solide Bestandsimmobilie ist aus diesem Blickwinkel wohl demnächst eher gefragt, wenn die Energiesanierung noch im Rahmen des Möglichen liegt. Der Neubau wird wohl erst einmal weniger Nachfrage auf sich ziehen, denn die relative Verteuerung des Bauens muss sich erst wieder normalisieren. Im privaten Bereich limitieren die Eigenkapitalanforderungen die Konsumwünsche der Bürger, nötige Prolongierungen führen zu höheren Belastungen für das Haushaltsbudget.

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