China hat vor vier Jahren den Zehnjahresplan „Made in China 2025“ lanciert, mit dem das Land zu einer führenden Industrienation aufsteigen will. In Deutschland löste der Plan Besorgnis aus. Doch die Entwicklung der chinesischen Industrie bietet auch Chancen.
Der Name klingt nach einem deutschen Mittelständler. Bloß: Haier ist ein chinesisches Großunternehmen. Gleichwohl hat der Haushaltswarenkonzern so etwas wie eine deutsche Vergangenheit. Das Unternehmen ging nämlich Mitte der 1980er Jahre ein Joint Venture mit dem deutschen Kühlschrankhersteller Liebherr-Hausgeräte ein. Die Chinesen sprechen „Liebherr“ als „Libohaier“ aus. Als sie sich zu Beginn der Neunzigerjahre von Liebherr trennten, behielten sie von den Deutschen neben dem technischen Wissen den Namensbestandteil „Haier“. Heute ist Haier mit einem weltweiten Marktanteil von über zehn Prozent der größte Hersteller von Haushaltsgeräten und drängt auf den deutschen Markt.
„Made in China 2025“ – ein ambitioniertes Projekt
Es sind solche Geschichten, die manchem Unternehmer in Deutschland den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Wenn es nach China geht, wird das Beispiel von Haier kein Einzelfall bleiben. Mit dem Zehnjahresplan „Made in China 2025“ beabsichtigen die Chinesen, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrie zu stärken. Bis zum 100-Jahre-Jubiläum im Jahr 2049 will die Volksrepublik gar zur führenden Industrienation aufsteigen. „Made in China 2025“ orientiert sich am Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“, mit dem Deutschland auf die Digitalisierung seiner Industrieproduktion zielt, ist aber deutlich umfassender. Die chinesische Regierung hat zehn Industriebereiche definiert, die sie besonders fördern und in denen sie an die Spitze der globalen Wertschöpfungskette vordringen will. Es handelt sich um folgende Branchen:
- Informationstechnologie
- Robotik
- Luft- und Raumfahrttechnologie
- Schifffahrtstechnologie
- Eisenbahntechnologie
- ökologische Autos
- Energieerzeugungstechnologie
- Landwirtschaftsmaschinen
- neue Werkstoffe
- Biopharmazeutik und Medizingeräte
Der Plan beabsichtigt, den Anteil inländischer Rohstoffe und Schlüsselkomponenten in den genannten Industrien bis 2020 auf 40 Prozent und bis 2025 auf 70 Prozent zu steigern. Dank Smart Manufacturing sollen Betriebskosten, Ausschussrate und Produktionszeit bis 2020 um 30 Prozent und bis 2025 um die Hälfte sinken. Um den dafür notwendigen technischen Fortschritt zu voranzutreiben, plant die Regierung 40 neue Forschungszentren. Auch die Ausbildung soll verbessert werden.
Deutsche Ängste
Ein wesentlicher Bestandteil von „Made in China 2025“ ist der Zukauf von ausländischem Know-how. So erwarb der Technologiekonzern Shanghai Electric im Jahr 2016 den niedersächsischen Luft- und Raumfahrtzulieferer Broetje-Automation. Im selben Jahr kaufte der Haushaltsgerätehersteller Midea den Augsburger Industrieroboterbauer Kuka. Die Übernahme schlug in Deutschland hohe Wellen. Nachdem sie das Geschäft erfolglos bekämpft hatte, verschärfte die Bundesregierung letzten Dezember die Außenwirtschaftsverordnung. Neu kann sie die Beteiligung eines Investors von außerhalb der Europäischen Union bereits ab einer Schwelle von zehn Prozent verbieten, wenn nationale Sicherheitsinteressen betroffen sind.
Die industriellen Ambitionen der Chinesen wecken hierzulande verständlicherweise Ängste. Dabei wird oft übersehen, dass auch China nur mit Wasser kocht. Zum Beispiel stagnierte der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt seit der Ankündigung von „Made in China 2025“. Er lag im Jahr 2017 bei knapp 2,1 Prozent – fast einen Prozentpunkt tiefer als in Deutschland.. Damit verfehlt China sein eigenes Ziel, zwischen 2016 und 2020 2,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Forschung und Entwicklung zu investieren. Schon während der vorhergehenden Fünfjahresperiode lag das Land 100 Milliarden US-Dollar hinter den geplanten F&E-Ausgaben zurück.
Auch China kocht nur mit Wasser
Davon abgesehen ist die chinesische Wirtschaft in Schlüsseltechnologien nach wie vor stark vom Ausland abhängig. Dies zeigte sich, als der Telekomausrüster ZTE im letzten Mai wegen US-Sanktionen wesentliche Teile seiner Geschäftstätigkeit vorübergehend einstellen musste. Ein weiteres Problem der chinesischen Industrie ist die mangelhafte Qualität ihrer Produktion. In der Studie „Beschaffung in China“ der IT-Beratungsgesellschaft MSG klagten 95 Prozent der Unternehmen mit Zulieferern aus China über Qualitätsmängel. Schwierigkeiten bestehen auch bei den langen Lieferfristen und der mangelnden Flexibilität chinesischer Unternehmen.
Solche Probleme lassen sich nicht einem mit einem Zehnjahresplan aus der Welt schaffen. Dafür braucht es einen umfassenden Kulturwandel. Überhaupt neigen wir dazu, der Planwirtschaft mehr zuzutrauen, als sie zu leisten vermag. Bereits der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson behauptete in seinem Ökonomielehrbuch – geblendet von der frühen Entwicklung der sowjetischen Großindustrie – die UdSSR würde die Vereinigten Staaten bald überholen. Er tat dies noch 1989, als das kommunistische Imperium kurz vor seinem Zusammenbruch stand.
Investitionen in die Innovationskraft
Dennoch wäre es ein Fehler, die Chinesen zu unterschätzen. Obwohl die Volksrepublik die ambitionierten Ziele von „Made in China 2025“ kaum in der geplanten Frist erreichen wird, wird sie in einzelnen Bereichen unzweifelhaft beträchtliche Fortschritte erzielen. Angst vor dieser Entwicklung ist indessen fehl am Platz. Vielmehr lohnt es sich, die damit verbundenen Chancen zu sehen. So betont der VDMA, dass die Chinesen für ihre geplanten Fortschritte auf ausländische Hilfe angewiesen sind. Dadurch entstehen für die deutsche Industrie neue Geschäftsmöglichkeiten. Verbesserungen bei der Produktion verhelfen China überdies zu mehr Wohlstand. Das bedeutet nicht zuletzt, dass ein größerer Teil der 1,4 Milliarden Chinesen die Mittel hat, deutsche Produkte zu kaufen.
Um von diesen Chancen profitieren und im Wettbewerb mit chinesischen Anbietern bestehen zu können, müssen deutsche Unternehmen allerdings in ihre Innovationskraft investieren. Leider stehen die Banken angesichts der strenger gewordenen Eigenmittelvorgaben nach Basel III bei Investitionsprojekten oft auf der Bremse. Deshalb lohnt es sich, alternative Finanzierungsoptionen wie Factoring, Finetrading, Lagerfinanzierung oder Sale-and-lease-back zu prüfen.