Offenes und stilles Factoring – was ist der Unterschied?

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14. Oktober 2020

Factoring hat sich als kostengünstige und krisensichere Finanzierungsalternative längst etabliert. Dennoch gibt es Kunden, die mit Vorurteilen auf den Forderungsverkauf reagieren oder die Abtretung der Rechnungsforderungen verbieten. In solchen Fällen macht es Sinn, vom stillen Factoring Gebrauch zu machen.

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Die Situation ist angespannt. Nach dem wochenlangen Lockdown im Frühling und dem Erlass einschneidender Hygiene- und Abstandsregeln kämpfen viele Branchen mit Liquiditätsproblemen. Vor allem kleinere Unternehmen leiden zudem unter der derzeit schlechten Zahlungsmoral. Während die Lieferanten ihnen aus Angst vor Forderungsverlusten die Zahlungsziele kürzen, zahlen ihre Kunden immer später. In der Folge gerät ihr Liquiditätspolster noch mehr unter Druck. Eine vergleichsweise günstige Finanzierungsvariante, die einem Unternehmen in dieser verzwickten Lage hilft, seine liquiden Mittel unter Kontrolle zu halten, ist das Factoring.

Verschiedene Factoringvarianten für verschiedene Bedürfnisse

Unter dem Begriff „Factoring“ versteht man die Veräußerung ausstehender Rechnungsforderungen an eine Finanzierungsgesellschaft, den Factor. Der Zweck des Factorings besteht darin, die Wartezeit bis zum Liquiditätseingang zu verkürzen und dadurch den Cashflow zu verstetigen. Typischerweise beträgt der Zeitraum zwischen der Forderungsabtretung und dem Zahlungseingang nicht mehr als 24 Stunden. Aufgrund der unterschiedlichen Kundenbedürfnisse haben sich verschiedene Arten des Factorings herausgebildet.

  • Echtes und unechtes Factoring: Im Falle des unechten Factorings beschränkt sich der Factor darauf, die offenen Rechnungsforderungen vorzufinanzieren. Fällt eine Forderung aus, muss der Factoringnehmer selbst dafür geradestehen. Beim echten Factoring, das in Deutschland überwiegt, ist der Schutz vor Zahlungsausfällen im Leistungspaket des Anbieters enthalten.

  • Full-Service-Factoring und Inhouse-Factoring: Das Full-Service- oder Standardfactoring zeichnet sich dadurch aus, dass die Factoringgesellschaft neben Finanzierungsfunktion und Ausfallschutz auch das Debitorenmanagement übernimmt. Sie ist somit für die Debitorenbuchhaltung, das Inkasso und das Mahnwesen verantwortlich. Beim Inhouse- oder Bulk-Factoring verbleiben diese Funktionen „inhouse“ respektive im Zuständigkeitsbereich des Factoringnehmers.

  • Fälligkeitsfactoring: Mit dem Fälligkeitsfactoring existiert auch eine Factoringvariante, bei der der Factor ausschließlich das Inkasso der Forderung, nicht aber deren Vorfinanzierung übernimmt. Der Factoringanbieter überweist das Geld erst nach Zahlungseingang oder bei Eintritt der Fälligkeit. Meist ist im Fälligkeitsfactoring kein Delkredereschutz enthalten.

Offenes Factoring als günstige Standardvariante

Bei den aufgezählten Factoringvarianten ist der Normalfall das offene Factoring. Das heißt, der Rechnungskunde wird über die Abtretung der Forderung informiert. Auf der Rechnung befindet sich zu diesem Zweck ein Abtretungsvermerk. Außerdem gehört das Bankkonto, auf das der Schuldner sein Geld einzahlt, dem Factor. Ganz anders beim stillen oder verdeckten Factoring: Das Unternehmen, das die Leistung erbracht hat, stellt die Rechnung in eigenem Namen aus. Ein Zessionsvermerk ist nicht vorhanden und das Rechnungskonto ist zwar an den Factor verpfändet, läuft jedoch auf den Namen des Leistungserbringers.

In der Regel ist das stille Factoring teurer. Die höheren Kosten spiegeln das größere Risiko für den Factoringanbieter. Denn im Gegensatz zum offenen Factoring kann der Factor bei der verdeckten Variante vor Ankauf der Forderungen keine Bonitätsprüfung der Debitoren vornehmen. Er ist somit nicht in der Lage, das Ausfallrisiko einzuschätzen. Deshalb nimmt er einen entsprechenden Risikoaufschlag bei den Factoringgebühren vor.

Vorteile offenes Factoring Vorteile stilles Factoring
• geringere Kosten • Auslagerung von Inkasso und Mahnwesen möglich • moderate Anforderungen an Bonität und Ertragslage• keine Beeinträchtigung des Kundenvertrauens • kein falscher Anschein wirtschaftlicher Probleme • auch bei Abtretungsverbot durch Kunden möglich

Stilles Factoring: Schutz vor Vorurteilen

Doch warum sollte ein Unternehmen bereit sein, höhere Gebühren zu zahlen, nur um die Forderungsabtretung gegenüber seinen Kunden zu verheimlichen? Ein Grund ist die Befürchtung, das Factoring könne die Vertrauensbeziehung zu den Kunden schädigen. Wissen diese von der Forderungsabtretung, rechnen sie unter Umständen mit einem aggressiven Inkasso. Für kleinere Unternehmen, deren Ressourcen im Backoffice beschränkt sind, ist die größere Effizienz des Factoringanbieters beim Forderungseinzug indes nicht selten ein Argument für das offene Factoring.

Ein Punkt, der für die verdeckte Variante spricht, ist die nach wie vor stark verwurzelte Überzeugung, diese Finanzierungsform werde bloß von Firmen genutzt, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten. Das Vorurteil ist falsch. Factoring liegt als Alternative zu einer einseitigen Bankenfinanzierung im Trend. Zwischen 2010 und 2019 – während der längsten Wachstumsphase seit der Wiedervereinigung, notabene – stieg die Factoringquote nach Angaben des Deutschen Factoring-Verbands von 5,3 Prozent auf 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mittlerweile nehmen in Deutschland über 90.000 Unternehmen die Dienste eines Factors in Anspruch. Die meisten davon sind kerngesund.

Höhere Anforderungen beim verdeckten Factoring

Trotzdem wäre es natürlich falsch, die Vorurteile der Kunden zu ignorieren und dadurch langjährige Geschäftsbeziehungen aufs Spiel zu setzen. Davon abgesehen gibt es Großkunden, die den Forderungsverkauf in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließen. Obwohl § 354a des Handelsgesetzbuchs im kaufmännischen Verkehr die Unwirksamkeit eines Abtretungsverbotes vorsieht, ist es in solchen Fällen besser, den Forderungsverkauf zu verschweigen.

Angesichts des größeren Risikos ist die verdeckte Form des Factorings allerdings an gewisse Voraussetzungen gebunden. Factoringanbieter erwarten insbesondere gute Bonität, eine starke Eigenkapitalquote, robuste Umsatz- und Ertragszahlen sowie eine positive Geschäftsentwicklung. Branchen, in denen es häufig zu Zahlungsausfällen kommt, schließen sie oft pauschal vom stillen Factoring aus. Beim offenen Factoring sind die Anbieter deutlich weniger anspruchsvoll. Sogar während eines Insolvenzverfahrens ist es noch möglich, von dessen Vorteilen zu profitieren. Insgesamt setzen größere Unternehmen eher auf stilles Factoring, während kleine Firmen die niedrigeren Hürden und den höheren Dienstleistungsumfang der offenen Variante schätzen.


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