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Zehn Jahre nach Lehman: Droht bald die nächste Krise?

Im September 2008 erschütterte der Untergang der Investmentbank Lehman Brothers das globale Finanzsystem. Es brauchte das beherzte Eingreifen von Politik und Zentralbanken, um eine Große Depression wie in den 1930er Jahren abzuwenden. Seither sind zehn Jahre vergangen. Die Finanzmarktregulierung hat in dieser Zeit sprunghaft zugenommen. Doch ist die Gefahr einer erneuten Krise dadurch gebannt?

Plötzlich ging alles ganz schnell. Noch am Sonntagmorgen hatte es so ausgesehen, als ob die britische Großbank Barclays Lehman übernehmen würde. Dann aber verweigerte die britische Finanzmarktaufsicht die Zustimmung. Bereits am Montag, dem 15. September 2008 musste Lehman Brothers Insolvenz anmelden.

Warum der Staat die marode Investmentbank nicht rettete, nachdem der Deal mit Barclays gescheitert war, ist umstritten. In seinem Buch „On the Brink“ erklärt der ehemalige US-Finanzminister Henry Paulson, für eine Rettungsaktion mit sicherem Verlust für den Steuerzahler habe zum damaligen Zeitpunkt keine rechtliche Grundlage bestanden. Jedenfalls führte die Insolvenz von Lehman zu einem Flächenbrand. Die Banken begannen sich gegenseitig zu misstrauen und die Overnight-Zinsen am Interbankenmarkt verdreifachten sich zeitweise auf über sechs Prozent.

Erfolgreiche Krisenbekämpfung – steigende Verschuldung

Die amerikanische Notenbank reagierte sofort und versorgte die Geldinstitute in Kooperation mit den Zentralbanken anderer Länder mit günstiger Liquidität. Das Weiße Haus stellte darüber hinaus 700 Milliarden US-Dollar bereit, um den Banken toxische Assets abzukaufen. Auch auf internationaler Ebene war die Politik bemüht, die Bankenkrise in den Griff zu kriegen: Die Regierungschefs der sieben führenden Wirtschaftsmächte beschlossen am G7-Gipfel vom Oktober 2008, das Scheitern systemwichtiger Banken zu verhindern und auf eine Normalisierung an den Kreditmärkten hinzuwirken. Daneben lancierten viele Länder Konjunkturprogramme, um die Folgen der Bankenkrise auf die heimische Wirtschaft abzumildern.

Bankenrettung, Konjunkturpakete und Rezession hinterließen allerdings tiefe Spuren. In den USA nahm die Staatsverschuldung zwischen 2008 und 2017 von 67,7 Prozent auf 105,4 Prozent des BIP zu. In der Euro-Zone stiegen die Schulden im selben Zeitraum von 68,7 Prozent auf 88,8 Prozent. Trotz des aktuellen Wirtschaftswachstums schafften bisher nur wenige Länder einen substanziellen Schuldenabbau.

Gefährliche Tiefzinsen

Die Verschuldung erschwert es den Notenbanken, ihre im historischen Kontext einmalige Niedrigzinspolitik zu beenden. Zwar hat die Fed seit Dezember 2015 begonnen, den Leitzins in behutsamen Schritten zu erhöhen. Die EZB verharrt hingegen seit März 2016 bei einem negativen Einlagesatz von −0,4 Prozent. Würde sie ihre Leitzinsen anheben, wären die Staatsschulden insbesondere in den südeuropäischen Ländern schnell nicht mehr tragbar. Gefährlich wäre dies vor allem im Hinblick auf Italien, dessen Volkswirtschaft zu groß ist, um sie durch ein Rettungspaket im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus aufzufangen.

Die Niedrigzinsen der EZB und anderer Notenbanken sorgen indes für Marktverzerrungen und schaffen gefährliche Blasen, die den Keim einer künftigen Finanzkrise in sich tragen. Davon betroffen sind in erster Linie die Anleihe- und Immobilienmärkte. So warnt die Schweizer Großbank UBS vor einer Überhitzung der Immobilienpreise in diversen Metropolen, darunter Hongkong, München und London. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Schuldenblase, die sich in China zusammenbraut. Im Reich der Mitte finden zurzeit 80 Prozent der privaten Kreditschöpfung weltweit statt. Chinesische Unternehmen sind mit über 160 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Chinas verschuldet.

Würde eine dieser Blasen platzen, fiele es den Regierungen und Notenbanken weitaus schwerer als vor zehn Jahren, darauf zu reagieren. Denn die tiefen Zinsen in Europa und den USA bieten nur wenig Senkungspotenzial. Außerdem haben die Staaten angesichts ihrer bereits heute hohen Schulden geringe Kapazität für neue Rettungs- und Konjunkturprogramme. Schwieriger wäre in einer Welt, die zunehmend durch Handelskonflikte und nationale Egoismen geprägt ist, auch die internationale Koordination der Krisenbewältigung.

30 Prozent Eigenkapital für Banken?

Dadurch erhält der Umgang mit den Systemrisiken am Finanzmarkt entscheidende Bedeutung. An Vorschlägen mangelt es nicht. Beispielsweise forderte der Forschungsdirektor der Distriktnotenbank Dallas, Harvey Rosenblum, dass Banken, die zu groß sind, um sie in die Insolvenz zu entlassen, aufgeteilt werden müssen.

Die Ökonomen Anat Admati und Martin Hellwig setzen beim Eigenkapital der Banken an. In ihrem Buch „Des Bankers neue Kleider“ schlagen sie eine ungewichtete Eigenkapitalquote von 20 bis 30 Prozent vor. Zum Vergleich: Ende des letzten Jahres verfügte die Deutschen Bank über eine ungewichtete Eigenkapitalquote von bloß 4,1 Prozent. Da Eigenkapital für die Banken teurer ist als Fremdkapital, bestünde bei der Umsetzung des Vorschlages von Admati und Hellwig die Gefahr, dass es zu einer Kreditverknappung käme. Die beiden Autoren verteidigen ihre Idee mit dem Argument, dass Fremdkapital für die Finanzinstitute bloß darum günstiger sei, weil es durch den Steuerzahler als „lender of the last resort“ subventioniert werde.

Too big to fail: Problem ungelöst

Dennoch ist verständlich, dass sich die Politiker nicht auf solche Experimente einlassen wollten und sich hauptsächlich mit punktuellen Anpassungen von Eigenkapitalvorschriften, Bankenaufsicht und Abwicklungsregeln begnügten. Ihnen vorzuwerfen, sie seinen untätig geblieben, wäre aber falsch. Vielmehr hat die Regulierung im Finanzbereich in den letzten zehn Jahren sprunghaft zugenommen. Allein der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht produzierte gemäß einer Analyse der Neuen Zürcher Zeitung zwischen 2009 und 2017 rund 2.800 Seiten an neuen Empfehlungen und Richtlinien.

Durch die zunehmende Regulierungsdichte steigt die Komplexität des Finanzsystems. Die Überkomplexität des Bankgeschäfts war indessen einer der Gründe, die zur Subprime-Krise und schließlich zum Fall von Lehman führten. Zudem erfordern die immer zahlreicheren und umfassenderen Bestimmungen große Compliance-Abteilungen. Kleinere Wettbewerber werden durch die steigenden Personalkosten aus dem Markt gedrängt, während große Finanzkonzerne von Skalenerträgen profitieren. Ohne es zu wollen, fördert die Politik somit jene Banken, die zu groß sind, um sie in einer Krisensituation fallen zu lassen. Das Too-big-to-fail-Problem bleibt in der Folge ungelöst.

Wird die nächste Krise schlimmer?

Ein Jahrzehnt nach dem Fall von Lehman Brothers wächst die Wirtschaft wieder. Das Risiko einer Wiederholung der Ereignisse von 2008 ist jedoch nicht gebannt. Die historisch tiefen Zinsen begünstigen die Bildung von Spekulationsblasen. Die Systemrisiken bestehen weiter. Und zu allem Übel sind die Möglichkeiten der Krisenbekämpfung heute aufgrund von Niedrigzinsen, überbordender Staatsverschuldung und Handelskonflikten deutlich beschränkter als vor zehn Jahren. Einige Experten wie Bill White, der ehemalige Chefvolkswirt der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, warnen deshalb, dass die nächste Finanzkrise schlimmer ausfallen könnte als die letzte.

Dies sind keine guten Aussichten. Umso wichtiger ist es, sich bereits heute auf eine Krisensituation vorzubereiten. Eines der Hauptprobleme, unter denen der Mittelstand während einer Finanz- und Bankenkrise leidet, ist die Kreditklemme. Es lohnt sich daher, das Finanzierungsportfolio zu diversifizieren, um im Krisenfall nicht zu sehr auf die Hausbank angewiesen zu sein.

 

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