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Das Ende des Bargeldes – eine Frage der Zeit?

Schweden schafft das Bargeld bis 2023 ab. Die Europäische Zentralbank stellt den Druck der 500-Euro-Note ein. Und die EU-Kommission verfolgt das Ziel, eine unionsweite Obergrenze für Bargeldtransaktionen einzuführen. Erleben wir den Anfang vom Ende des Bargeldes?

John Cryan, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, wagte 2016 die Prognose, in zehn Jahren werde kein Bargeld mehr existieren. Cash sei einfach „fürchterlich teuer und ineffizient“. Tatsächlich belastet der Bargeldumlauf die Volkswirtschaft mit erheblichen Kosten: Eine Studie der Berliner Steinbeis-Hochschule rechnet mit 8 Milliarden Euro pro Jahr allein in Deutschland. Denn Noten und Münzen müssen produziert, transportiert, verteilt, gelagert, bewacht und geprüft werden. So landet eine durchschnittliche Euro-Note, die während ihres Lebenszyklus 131 Mal zum Einkaufen verwendet wird, ganze 12 Mal zur Prüfung bei der Bundesbank. Die größten Kosten des Bargeldumlaufs tragen indes Handel und Banken.

Schweden geht voran

Dass gerade aus Bankenkreisen der Ruf nach der Bargeldabschaffung laut wird, verwundert daher nicht. Auch in Schweden ging der Prozess, der voraussichtlich 2023 zum Ende des Bargeldes führt, von den Banken aus. In den frühen 2000er Jahren gab es so viele Banküberfälle, dass die Gewerkschaften von den Banken forderten, den Bargeldverkehr zur Sicherheit der Angestellten einzuschränken. Seither ist es in den meisten schwedischen Bankfilialen nicht mehr möglich, Geld einzuzahlen. Geschäftsinhaber müssen deshalb zur Einzahlung ihrer Bargeldeinnahmen auf teure Zahlungsdienstleister zurückgreifen. Das schmälert ihre Bereitschaft, Bargeld zu akzeptieren. Aus diesem Grund zahlen die Schweden selbst kleine Dinge wie Kaugummis oder Bus-Tickets mit der Karte. Cash fließt nur noch bei einem Fünftel aller Einkäufe.

Gegen Kriminalität, Steuerhinterziehung und Wirtschaftskrisen

Politiker verfolgen die Entwicklung in Schweden aufmerksam. Abgesehen von den hohen volkswirtschaftlichen Kosten des Bargeldes stoßen sie sich vor allem an dessen Anonymität. Sie behindert die Bekämpfung von Geldwäscherei, Terrorfinanzierung, Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft.

Ökonomen stört zudem, dass ein Teil des Bargeldbestands unproduktiv gehortet wird, statt in den Wirtschaftskreislauf zurückzufließen. Seit der Finanzkrise hegen einige Vertreter ihrer Zunft darüber hinaus geldpolitische Bedenken, zumal das Bargeld die Fähigkeit der Zentralbanken beeinträchtigt, mit Negativzinsen die Wirtschaft anzukurbeln. Denn sobald die Negativzinsen die Kosten der Bargeldhaltung überschreiten, heben Haushalte und Unternehmen einen Teil ihrer Bankguthaben ab und entziehen das Geld dem Wirtschaftskreislauf.

Abschaffung in kleinen Schritten

Der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff – bekannt als Co-Autor des Buches „Dieses Mal ist alles anders“, das die Finanzkrisen der letzten 800 Jahre analysiert – ist ein bekannter Bargeldgegner. In seinem neuesten Werk „Der Fluch des Geldes: Warum unser Bargeld verschwinden wird“, skizziert er einen Plan, wie sich die Bargeldabschaffung durchführen lässt. Er plädiert dafür, Schritt für Schritt die jeweils größte Banknote abzuschaffen. Gleichzeitig soll der Staat armen Menschen den kostengünstigen Zugang zu einem Bankkonto ermöglichen. Außerdem soll er die Entwicklung eines Zahlungssystems fördern, das Überweisungen in Echtzeit erlaubt. Zum Schutz der Privatsphäre möchte Rogoff für Kleinstbeträge anonyme Überweisungen zulassen.

Dass es sich bei diesen Überlegungen keineswegs um ein Gedankenspiel im akademischen Elfenbeinturm handelt, zeigt sich daran, dass sich auch der Internationale Währungsfonds mit dem De-Cashing beschäftigt. Ein IWF-Papier schlägt vor, das Notengeld schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen. Zusätzlich sollen die Staaten Obergrenzen für Bargeldtransaktionen einführen und den freien Bargeldverkehr über die Grenzen hinweg einschränken. Eine gesetzlich verordnete Bargeldabschaffung sei allerdings aufgrund der nach wie vor bestehenden Popularität des Bargeldes gefährlich.

Deutsche schätzen Bargeld

Eine besonders hohe Popularität genießt das Bargeld in Deutschland. Gemäß einer Studie des EHI Retail Institute stammten 2016 51,3 Prozent des Umsatzes im Einzelhandel aus Barzahlungen – 1,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Ein Viertel des Umsatzes wurde über die Girocard und bloß 6,1 Prozent über Kreditkarten generiert. Diese Zahlen stimmen mit einer Umfrage der Bank ING-DiBa überein, die zeigt, dass 84 Prozent der Deutschen nicht auf Geldscheine und Münzen verzichten wollen. Sie schätzen am Bargeld vor allem, dass es – im Gegensatz zu elektronischen Zahlungsverfahren – keine Datenspur hinterlässt. Die Mehrheit der Deutschen hält Cash überdies für sicherer als andere Zahlungsmittel. Ferner fällt es vielen Verbrauchern bei Bartransaktionen leichter, den Überblick über ihre Finanzen zu behalten.

Anfang vom Ende des Bargeldes

Dennoch scheint die Politik den Ratschlägen des IWF-Papiers zu folgen. So stellt die Europäische Zentralbank bis zum Ende des Jahres den Druck des 500-Euro-Scheins ein. Vor allem süd- und osteuropäische EU-Mitglieder haben bereits Obergrenzen für Bargeldtransaktionen eingeführt. Besonders restriktiv ist Frankreich: In der Grande Nation sind Barzahlungen über 1.000 Euro untersagt. Deutschland kennt zwar kein solches Verbot – für Bargeldgeschäfte über 10.000 Euro gilt jedoch eine Ausweispflicht und die EU-Kommission will dieses Jahr eine öffentliche Konsultation zur Einführung einer unionsweit einheitlichen Obergrenze durchführen.

Im Übrigen verliert das Bargeld dank innovativer Zahlungslösungen – beispielsweise über das Smartphone – vor allem bei der jüngeren Generation zunehmend an Bedeutung und die Barzahlungen im Einzelhandel sind rückläufig. Das alles wird zwar nicht dazu führen, dass die deutsche Wirtschaft ab 2026 bargeldlos funktioniert, wie John Cryan prognostizierte. Doch der Anfang vom Ende des Bargeldes hat begonnen – nicht nur in Schweden, sondern weltweit, auch in Deutschland.

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