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Mittelstand setzt vermehrt auf Eigenkapital

Seit der Jahrtausendwende ist die Eigenkapitalquote im deutschen Mittelstand deutlich gestiegen. Dies hängt in erster Linie mit der strengeren Bankenregulierung zusammen. Die meisten Unternehmen sehen im Eigenkapital aber auch einen wichtigen Garanten für Unabhängigkeit und Stabilität. Dennoch verharrt der Eigenmittelanteil bei fast einem Drittel der KMU unter zehn Prozent. Wie wichtig Eigenkapital für Mittelständler ist, inwiefern sich die Eigenkapitalquote im Laufe der Coronapandemie verändert hat und welche modernen Finanzierungslösungen gute Alternativen zum klassischen Bankenkredit sind, erklären wir Ihnen hier.

Die Neunzigerjahre waren die Zeit des Shareholder Value. Eine hohe Eigenkapitalrendite galt als erstrebenswert. Gleichzeitig verlor die deutsche Wirtschaft an Dynamik. Entsprechend stark waren die Unternehmensfinanzen gehebelt. 1997 lag die durchschnittliche Eigenkapitalquote aller deutschen Unternehmen gemäß einer Hochrechnung der Bundesbank bei 19 Prozent. Bei den mittelständischen Unternehmen machten die Eigenmittel nur etwas mehr als sieben Prozent der Bilanzsumme aus. KMU, die als Personengesellschaft oder Einzelunternehmen strukturiert waren, hatten gar eine knapp negative Eigenkapitalquote. Aus steuerlichen Gründen lohnte es sich für die Eigner von Nichtkapitalgesellschaften, Schulden in die Unternehmensbilanz, Finanz- und Immobilienanlagen hingegen ins Privatvermögen zu verschieben. Die Banken maßen der Kapitalstruktur ihrer Kunden damals geringere Bedeutung zu als heute: Sie hatten jeden Kredit unabhängig von der Bonität des Kreditnehmers mit acht Prozent Eigenkapital zu unterlegen.

Eigenkapital als Garant für Unabhängigkeit

Die Wende kam mit der strengeren Bankenregulierung. Basel II verlangte von den Finanzinstituten, die Eigenkapitalunterlegung nach Kreditrisiken zu differenzieren. Da im Insolvenzfall eines Unternehmens nicht auf Fremdkapital, sondern lediglich auf firmeninternes Kapital zurückgegriffen werden kann, erweist sich ein hohes Eigenkapital bzw. dementsprechend auch eine hohe Eigenkapitalquote bei Finanzierungen als eine zuverlässige Absicherung für Banken. Dadurch wurden Kredite für Unternehmen mit einer gesunden Bilanz günstiger, schwach kapitalisierte Unternehmen mussten höhere Zinsen bezahlen. Mit Basel III verschärften sich die Unterschiede – dies führte dazu, dass der Mittelstand zwischen 1997 und 2016 seine Eigenkapitalquote vervierfachte.

Mit seinen 28 Prozent war er nicht mehr weit von den Großunternehmen entfernt, deren Eigenkapitalquote zu diesem Zeitpunkt 31 Prozent betrug. Die größten Veränderungen geschahen bei den kleinen und mittelgroßen Personengesellschaften und Einzelunternehmen. Sie steigerten das Verhältnis ihrer Eigenmittel zur Bilanzsumme von –0,7 Prozent auf über 18 Prozent. Laut einer statistischen Erhebung der KfW zum Thema Eigenkapitalquote im deutschen Mittelstand konnte diese im Jahr 2021 sogar auf durchschnittlich 31,4 Prozent klettern.

Während die Unternehmen ihren Eigenkapitalanteil zunächst erhöhten, um günstiger an Bankkredite zu kommen, ist die Motivation zur Verbesserung der Kapitalstruktur heute zunehmend eine andere. In einer Zusatzbefragung zum KfW-Mittelstandspanel 2017 bezeichnen vier von fünf Unternehmern den Erhalt der Unabhängigkeit als Hauptmotiv. Sie wollen nicht, dass die Banken bei ihren geschäftlichen Entscheidungen mitreden. 70 Prozent der Mittelständler stärken ihr Eigenkapital zudem, um sich einen günstigen Fremdfinanzierungszugang für künftige Investitionsmöglichkeiten offen zu halten. Davon abgesehen sieht die Mehrheit der Befragten die Kapitalverbesserung als einen Weg, die Krisenresistenz zu erhöhen und einen Puffer für den Fall einer Kreditklemme aufzubauen.

Verschlechterte Finanzierungsbedingungen

Von einer Kreditklemme sind wir derzeit zwar weit entfernt. Der Finanzierungsmonitor 2019 zeigt indes, dass sich die Finanzierungsbedingungen für KMU verschlechtern. 58 Prozent der befragten Mittelständler mussten mindestens ein Drittel ihrer Betriebsmittelkredite mit Sicherheiten unterlegen. Im Jahr zuvor waren es noch 54 Prozent und 2017 bloß 43 Prozent. Besonders betroffen waren Dienstleistungsunternehmen, von denen 72 Prozent für ihre Betriebsmittelkredite in nennenswertem Umfang Sicherheiten leisten mussten. Im Zeitalter der Digitalisierung besitzen Unternehmen jedoch immer weniger Werte wie Immobilien oder Anlagen, die sich als Sicherheiten verwenden lassen. Umso wichtiger ist es für sie, genügend Eigenkapital zu haben.

Eine gute Eigenmittelausstattung ist auch entscheidend für Akquisitionen und Nachfolgeregelungen. In den nächsten Jahren kommt diesem Umstand besondere Bedeutung zu, steht doch vielen Unternehmen ein Generationenwechsel bevor. Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn schätzt, dass in Deutschland zwischen 2018 und 2022 150.000 Unternehmen in neue Hände übergehen. Erfahrungsgemäß wird ein knappes Drittel davon an unternehmens- und familienexterne Nachfolger verkauft. Ist das Unternehmen mit einem attraktiven Eigenkapitalpolster ausgerüstet, gestaltet sich die Suche nach einem Käufer wesentlich einfacher.

Eine gute Eigenmittelausstattung ist auch entscheidend für Akquisitionen und Nachfolgeregelungen. In den nächsten Jahren kommt diesem Umstand besondere Bedeutung zu, steht doch vielen Unternehmen ein Generationenwechsel bevor. Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn schätzt, dass in Deutschland zwischen 2018 und 2022 150.000 Unternehmen in neue Hände übergehen. Erfahrungsgemäß wird ein knappes Drittel davon an unternehmens- und familienexterne Nachfolger verkauft. Ist das Unternehmen mit einem attraktiven Eigenkapitalpolster ausgerüstet, gestaltet sich die Suche nach einem Käufer wesentlich einfacher.

Internationaler Vergleich in Sachen Eigenkapital

Obwohl sich die Kapitalstruktur mittelständischer Unternehmen in den letzten beiden Jahrzehnten gebessert hat, verfügten noch vor wenigen Jahren drei von zehn KMU über eine Eigenkapitalquote von weniger als zehn Prozent. Im internationalen Vergleich ist die Eigenmittelausstattung deutscher Unternehmen ohnehin eher tief. So lag die Eigenkapitalquote von US-Kapitalgesellschaften Stand 2019 bei 56 Prozent. Der entsprechende Wert amerikanischer Personengesellschaften und Einzelunternehmen betrug sogar 61 Prozent.

Es besteht also weiterhin Handlungsbedarf. Um ihre Bilanzstruktur zu verbessern, sollten mittelständische Unternehmen allerdings nicht auf Investitionen verzichten. Dadurch würden sie nur ihr Entwicklungspotenzial schwächen. Vielmehr lohnt es sich, auf alternative Finanzierungsmethoden wie Mezzanine-Kapital, Factoring, Sale-and-lease-back oder Lagerfinanzierung zu setzen.

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Eigenkapitalquote

Dringender Handlungsbedarf und durchaus verbesserungsfähige Eigenkapitalquoten im Mittelstand trafen innerhalb der letzten zwei Jahre dann allerdings auf immense Hürden: Die Corona-Pandemie hat die globale Wirtschaft hart getroffen und entsprechend auch im Bereich der Finanzen und Finanzierungen beträchtliche Auswirkungen nach sich gezogen.

Der Einbruch der Krise – und des Eigenkapitals

Eine erste ifo-Studie aus dem Jahr 2020 zeigte: Die Eigenkapitalquote sank über alle Branchen verteilt zwar eher moderat, dennoch war ein klarer Abwärtstrend zu verzeichnen.

Die Sonderbefragungen ergaben, dass:

  • 9% der Firmen über einen Eigenkapitalanstieg berichteten
  • 61% der Firmen keinerlei Veränderungen berichteten und
  • 30% eine starke Senkung der Eigenkapitalquote berichteten

Insbesondere waren natürlich die Gastronomie, das Hotelgewerbe sowie der Kunst- und Kultursektor betroffen, da hier massive Einschränkungen das Tagesgeschäft ausbremsten bzw. zeitweise komplett zum Stillstand brachten. Doch auch andere Branchen mussten aufgrund der schlechten Auftrags- und Geschäftslage saftige Einbußen im Bereich der Eigenkapitalquote hinnehmen. Entsprechende Unterschiede zeichneten sich wie erwartet auch zwischen Großunternehmen und KMU ab – letztere, gerade die kleinsten 25%, berichteten über deutlich mehr Probleme in diesem Bereich als Branchenriesen.

Langsame Stabilisation von Wirtschaft & Eigenkapitalquote

Im Jahr 2021 hingegen zeigte sich der deutsche Mittelstand in wirtschaftlicher Hinsicht äußerst anpassungsfähig – generell ging laut KfW-Mittelstandspanel 2021 die Coronabetroffenheit merklich zurück, wobei sich die Eigenkapitalquote einigermaßen stabil bei 30,1 Prozent halten konnte. Dies ist zwar ein Rückgang im Vergleich zu Vorkrisenzeiten, dabei dennoch relativ moderat und kein Grund zur Besorgnis, was die Kapitalstruktur mittelständischer Unternehmen betrifft.

Auch der Anteil von Unternehmen, deren Eigenkapitalquote weniger als 10 Prozent beträgt, hat sich durch die ökonomischen Einbrüche nicht vergrößert: Nachdem er 2019 noch 28,2 Prozent betrug, hielt er sich 2020 bei soliden 28,0 Prozent. Gleiches gilt für den Anteil von Unternehmen mit besonders hoher Eigenkapitalquote von über 30 Prozent: 2019 lag dieser bei 41,5 Prozent, 2020 bei immerhin noch 40,8 Prozent.

Ein wichtiger Grund für die weitgehend stabile Entwicklung des Eigenkapitals ist dabei laut KfW die schon länger bestehende Zurückhaltung in puncto Investitionstätigkeiten. Gleichzeitig ist jedoch auch anzumerken, dass gerade die zusätzliche Aufstockung an Eigenkapital maßgeblich dazu beigetragen hat, dass es KMU relativ sicher durch die Krise geschafft haben.

Neue wirtschaftliche Herausforderungen für KMU

Innerhalb des letzten Jahres haben sich Mittelständler weiterhin gut über Wasser gehalten – das kürzlich erschienene KfW Mittelstandspanel 2022 zeigt wieder eine beeindruckende Resilienz der Unternehmen im Angesicht der anhaltenden Pandemie. Allerdings sind in den letzten Monaten weitere Herausforderungen wie der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Energiekrise hinzugekommen. Steigende Zinsen, die andauernde Inflation und wenig aussichtsreiche Wachstumsperspektiven trüben die wirtschaftliche Stimmung aktuell enorm.

Trotz alledem beweist das aktuelle Panel, dass sich die Eigenkapitalquote im Mittelstand erstaunlich schnell erholt und nun fast wieder Vorkrisenniveau erreicht hat: durchschnittlich lag sie im vergangenen Jahr wieder bei 31,4 Prozent. Diese Entwicklung schlägt sich auch in der Resilienz gegenüber Krisenereignissen nieder, da so deutlich mehr finanzieller Puffer bereitsteht. Auch die Zinswende 2022 hatte Auswirkungen auf die Art, wie KMU über ihre Eigenkapitalausstattung denken. Laut der Studie „Finanzierungsmonitor 2022“ von creditshelf gaben 44 Prozent der befragten Unternehmen an, in Reaktion auf die Zinserhöhung ihren Eigenkapitalanteil am Gesamtkapital aufstocken zu wollen.

Insbesondere die derzeit stark gestiegenen Energiepreise dürften in den kommenden Monaten weiterhin ein Grund zur Sorge und Vorsicht bei kleinen und mittelständischen Unternehmen bleiben. Entsprechend zögerlich werden auch Ausgaben, Investitionen und der Abschluss traditioneller Kredite ausfallen, doch der konstante Trend von mittelständischem Eigenkapital zeigt, dass die Aussichten nicht zwingend schlecht sind und stattdessen alternative Finanzierungsformen mehr Beachtung finden dürften.

Alternative Finanzierungslösungen für die Eigenkapitalquote

Im Bereich der alternativen Finanzierungen sind verschiedene Formen schon länger auf dem Vormarsch – aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen jedoch tragen maßgeblich dazu bei, reguläre Bankenkredite weiter in den Hintergrund zu drängen. Drei der relevantesten modernen Finanzierungslösungen stellen dabei das Mezzanine-Kapital, Factoring sowie Sales-and-lease-back dar.

  • Mezzanine-Kapital: Mezzanine-Kapital nimmt eine Zwitterstellung zwischen Eigen- und Fremdkapital ein. Wirtschaftlich gilt es wegen seiner Nachrangigkeit als Eigenkapital, steuerlich meist als Fremdkapital. Die Zinszahlungen sind deshalb als Betriebsaufwand absetzbar. Ein wesentlicher Vorteil mezzaniner Finanzierungen besteht darin, dass sie den Kapitalgebern typischerweise kein Mitspracherecht verschaffen. Somit bleibt die unternehmerische Unabhängigkeit erhalten. Die wichtigsten Instrumente für Mezzanine-Finanzierungen sind partiarische und Nachrangdarlehen, Genussscheine, stille Beteiligungen sowie Wandel- und Optionsanleihen.
  • Factoring: Unter Factoring versteht man den Verkauf offener Rechnungsforderungen. Sofern die dadurch generierte Liquidität zur Tilgung von Verbindlichkeiten wie Lieferanten- oder Bankkrediten verwendet wird, wirkt sich das Factoring bilanzverkürzend aus. Dementsprechend steigt die Eigenkapitalquote. Der Forderungsverkauf vereinfacht überdies die Liquiditätsplanung und schützt vor Zahlungsausfällen.
  • Sale-and-lease-back: Die Erhöhung der Eigenkapitalquote durch Sale-and-lease-back folgt demselben Prinzip wie beim Factoring. Indem das Unternehmen Anlagegüter an die Leasinggesellschaft verkauft, erhält es Liquidität. Verwendet es diese, um Schulden abzubauen, verkürzt es seine Bilanz, wodurch das Eigenkapital im Verhältnis zur Bilanzsumme größer wird. Den gleichen Effekt kann ein Unternehmen im Übrigen auch durch eine Lagerfinanzierung erreichen.

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