Industrie 4.0, Smart Factory, künstliche Intelligenz, Internet of Things, Big Data: Die Wirtschaft befindet sich im Umbruch. Der Mittelstand investiert jedoch nur zögerlich in die Digitalisierung. Damit läuft er Gefahr, von den großen Unternehmen abgehängt zu werden.
Im Jahr 2016 investierten deutsche KMU laut der KfW-Studie „Digitalisierung im Mittelstand“ rund 14 Milliarden Euro in Digitalisierungsprojekte. Gemessen an den 169 Milliarden Euro, die sie für neue Maschinen, Gebäude und Einrichtungen ausgaben, ist dies ein geringer Wert. Das Geld floss hauptsächlich in die Erneuerung von Hard- und Software sowie in die Digitalisierung des Kontaktes zu Kunden und Lieferanten. Nur 19 Prozent der Digitalisierungsinvestitionen wurden für die Entwicklung digitaler Produkte und Dienstleistungen verwendet. Und bloß ein Viertel aller befragten Unternehmen hat zwischen 2014 und 2016 überhaupt ein Digitalisierungsvorhaben abgeschlossen.
Alternative Finanzierungslösungen, wie Factoring oder Sale & Lease Back verschaffen Unternehmen die benötige Liquidität, um die Digitalisierung zu meistern.
Die Zahlen überraschen angesichts der rasanten Veränderungen, die sich derzeit im Technologiebereich vollziehen. Einen Erklärungsansatz liefert die Studie „Disruptive Innovationen: Chancen und Risiken für den Mittelstand“ des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung. Demnach glauben 37 Prozent der KMU, dass die technologischen Veränderungen wenig Auswirkungen auf ihre Branche haben. Mehr noch: 46 Prozent sind der Meinung, ihr eigenes Unternehmen sei von den technischen Innovationen kaum betroffen. Entsprechend beurteilen zwei Drittel der deutschen Mittelständler ihr aktuelles Geschäftsmodell als zukunftssicher.
Dies könnte sich indessen als Trugschluss erweisen. Ehemals etablierte Unternehmen wie Kodak, Nokia oder Grundig sind der Digitalisierung bereits zum Opfer gefallen. Zudem betrifft der digitale Wandel nicht ausschließlich technologienahe Industrien. Auch das traditionelle Gewerbe und die Dienstleistungsbranche stehen vor Herausforderungen. So leidet der Einzelhandel unter der Konkurrenz von Zalando. Die Hotellerie verliert Übernachtungen durch Airbnb. Das Taxigewerbe beklagt sich über Umsatzverluste wegen Uber. Und laufend entstehen neue Geschäftsmodelle, die etablierte Branchen unter Druck setzen.
Zalando, Airbnb und Uber haben vor allem eines gemeinsam: Sie setzen auf Big Data. Im deutschen Mittelstand hingegen steckt die Datenanalyse noch in den Kinderschuhen. Gemäß einer Erhebung der Commerzbank werten erst acht Prozent der KMU systematisch und im großen Stil Daten aus. Zu denken gibt insbesondere, dass lediglich 40 Prozent der im Handel tätigen Unternehmen Big Data verwenden, um mehr über ihre Kunden zu erfahren.
Darüber hinaus lässt sich der Commerzbank-Studie entnehmen, dass sich jeder fünfte Mittelständler vor der Konkurrenz von Google, Amazon und Konsorten fürchtet. Die Furcht ist nicht unbegründet. Denn die großen Internetkonzerne nutzen ihre riesigen Datensammlungen gezielt, um erfolgversprechende neue Geschäftsmodelle ausfindig zu machen. Haben sie eine interessante Marktnische entdeckt, versuchen sie sie selbst zu besetzen, wie ein kürzlich erschienener Artikel des Economist aufzeigt. Darunter leiden primär innovative Startups. Doch die Online-Riesen haben keine Hemmungen, in typische Domänen des Mittelstands einzudringen. Ein anschauliches Beispiel liefert der Versandhändler Amazon, der den traditionell kleinstrukturierten deutschen Buchhandel revolutionierte und zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen verdrängte.
Gefahr droht aber nicht allein von den mächtigen Tech-Konzernen, sondern in erster Linie von den größeren Branchenkonkurrenten. Zwischen großen und kleinen Unternehmen öffnet sich nämlich eine Schere: Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern erreichen beim Digitalisierungsindex der Deutschen Telekom einen Wert von 63 von 100 möglichen Punkten. Firmen mit weniger als zehn Mitarbeitern kommen bloß auf 44 Punkte. Die Unternehmensbefragung der Kreditanstalt für Wiederaufbau aus dem Jahr 2017 ergibt ein ähnliches Bild. Darin gaben fast vier Fünftel der der Großunternehmen an, innerhalb der kommenden zwei Jahre ein Digitalisierungsvorhaben durchführen zu wollen. Bei Betrieben mit einem Jahresumsatz von bis zu einer Million Euro plante lediglich etwas mehr als ein Viertel ein solches Projekt.
Es wäre indes falsch, Digitalisierung und Industrie 4.0 auf ihr Bedrohungspotenzial zu reduzieren. Vielmehr bietet die Entwicklung auch erhebliche Chancen. So hat McKinsey berechnet, dass mittelständische Unternehmen bei vollständiger Ausschöpfung ihrer digitalen Möglichkeiten im Jahr 2025 eine zusätzliche Wertschöpfung von 126 Milliarden Euro generieren könnten. Dies entspricht einem jährlichen Wachstumsbeitrag von 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Wertschöpfungspotenzial ergibt sich nach McKinsey vor allem aus Effizienzgewinnen.
Es lohnt sich für den Mittelstand also, in die Digitalisierung zu investieren. Und es lohnt sich, dies jetzt zu tun. Denn: Nicht die großen Fische – seien es Tech-Giganten oder Branchenkonkurrenten – fressen die kleinen, sondern die schnellen die langsamen! Allerdings fällt es den KMU nicht leicht, an günstige Bankkredite für Digitalisierungsvorhaben zu gelangen. Seit der Finanzkrise sind Banken deutlich kritischer bei der Beurteilung von Kreditanträgen für Projekte, deren Erfolgsaussichten sie schwer einschätzen können. Dazu kommt, dass Digitalisierungsinvestitionen nur teilweise in materielle Güter wie IT-Hardware fließen, die sich als Sicherheiten nutzen lassen.
Deshalb tun mittelständische Unternehmen gut daran, neben Bankkrediten und klassischen Darlehen auf alternative Finanzierungsformen zu setzen. Für den nötigen Spielraum in Bezug auf Digitalisierungsinvestitionen sorgen unter anderem:
Sale-and-Lease-Back: Der Rückmietverkauf von Immobilien, Fahrzeugen oder Maschinen generiert Liquidität.
Factoring: Der Forderungsverkauf verschafft ebenfalls unmittelbar Liquidität, ohne dass dabei regelmäßige Zinszahlungen anfallen.
Lagerfinanzierung: Anders als die mehrheitlich immateriellen Digitalisierungsvorhaben eignen sich die Waren im eigenen Lager hervorragend als Sicherheit.
Förderdarlehen: Verschiedene Förderbanken von Bund und Ländern gewähren für Digitalisierungsprojekte zinsgünstige Darlehen.