Im Interview mit Finanzierung.com spricht Dr. Claudia Conen, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen, über den Standort Deutschland, was die Politik jetzt tun muss – und warum Sale-and-Lease-Back die ideale Finanzierung für komplexe Wirtschaftsgüter ist / Von Stefan Felbinger
Finanzierung.com: Frau Dr. Conen, während sich der Ifo Geschäftsklima-Index im November auf niedrigem Niveau leicht von 86,9 auf 87,3 Punkte erhöhte, sank der Branchen-Index der Leasing-Unternehmen deutlich von 17,0 auf 12,9 Punkte. Woher kommt der Pessimismus bei Ihren Mitgliedern?
Dr. Claudia Conen: Die absoluten Werte der beiden Indices sagen Verschiedenes aus und sind damit nicht direkt miteinander vergleichbar. Unser Fokus liegt auf den Veränderungen, die im Laufe der Zeit stattgefunden haben. Wir berücksichtigen also, dass der Stimmungsindikator vor einem Jahr gerade aus dem negativen Bereich gestiegen war. Die Leasing-Branche fungiert dabei als ein Seismograf, der die Investitionsstimmung der Gesamtwirtschaft widerspiegelt.
Momentan ist der Ausblick eher gedämpft, was sowohl auf die restriktive Geldpolitik als auch auf das Fehlen ordnungspolitischer Anreize zurückzuführen ist. Diese Entwicklung zeichnet sich bereits seit dem Sommer ab. Insbesondere, weil immer deutlicher wurde, dass die deutsche Volkswirtschaft in einem rezessiven Umfeld verharren wird.
Insgesamt können die vorliegenden Daten als Indikator dafür betrachtet werden, dass sich die wirtschaftliche Lage stabilisiert, die Bäume aber auch nicht in den Himmel wachsen.
Für die ersten drei Quartale dieses Jahres hatte Ihr Verband noch ein starkes Wachstum von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr gemeldet. Wie werden Sie das vierte Quartal abschließen?
Conen: Bei der Auswertung der Daten müssen wir die Inflation im Blick behalten. Der Anstieg lässt sich zu einem Teil auch auf die gestiegenen Preise zurückführen. In Anbetracht der aktuellen wirtschaftlichen Lage erwarten wir keine großen Überraschungen. Schließlich kann sich unsere Branche nicht von der Gesamtwirtschaft abkoppeln. Jedoch war der Jahresabschluss in der Vergangenheit tendenziell immer robust. Ein mindestens leichter Anstieg wäre daher keine unerwartete Entwicklung.
Ihr Verband hat sich als „verlässlicher Partner für Zukunftsinvestitionen in die Energiewende“ positioniert. Nach dem Karlsruher Urteil zur verfassungswidrigen Umwidmung des Corona-Sondervermögens verfügte die Bundesregierung eine Haushaltssperre. Die KfW musste daraufhin zahlreiche Förderprogramme vor allem für energetische Sanierungen auf Eis legen. Wie sehr betrifft Sie das?
"Leasing muss in Förderprogrammen berücksichtigt werden"
Conen: Aus volkswirtschaftlicher Perspektive stellt das Karlsruher Urteil zweifellos eine Herausforderung dar. Jetzt sind Bundesregierung und Union gefordert, einen klaren und transparenten Zukunftshaushalt zu gestalten. Deutliche Investitionsanreize zu schaffen, vorzugsweise solche, die auch ordnungspolitischer Natur sind, steht dabei im Fokus. Planungssicherheit spielt eine entscheidende Rolle für Unternehmen, und wenn diese gewährleistet ist, folgt das private Kapital in der Regel fast von selbst.
Es ist wichtig und richtig, Fördermittel für nachhaltige Technologien gezielt vor allem für das Hochfahren eines Marktes einzusetzen. Wir stellen jedoch immer wieder fest, dass die Konzeption von Förderprogrammen an der Realität vorbei geht. Das heißt, die Programme stellen bisher meist auf Bilanzierung – also Eigentum – beim identischen Nutzer ab. Leasing hingegen bedeutet Nutzen statt Eigentum und wird daher ausgeschlossen. Als BDL setzen wir uns nachdrücklich dafür ein, dass diese Diskriminierung beendet wird und andere Finanzierungsformen in den Förderprogrammen berücksichtigt werden. Schließlich nutzen drei Viertel der Unternehmen in Deutschland regelmäßig Leasing. In Kombination können Fördermittel und Leasing die Verbreitung nachhaltiger Technologien beschleunigen.
Zurück zur Haushaltssperre. Diese betrifft uns daher vor allem im Hinblick auf die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen auf das Investitionsverhalten und weniger unmittelbar.
Welche Forderungen vertritt Ihr Verband im Zusammenhang damit gegenüber den politischen Verantwortlichen?
Conen: In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit ist Planungssicherheit für Unternehmen entscheidend, denn Unsicherheit ist Gift für die Investitionsstimmung. Ob dies durch eine angepasste Schuldenbremse oder transparente Sondervermögen, ähnlich wie für die Bundeswehr, erreicht wird, mag zunächst zweitrangig sein. Im Hinblick auf eine langfristige, nachhaltige Finanz- und Investitionspolitik erscheint eine Schuldenbremse, die gezielt private zukunftsgerichtete Investitionen in den Vordergrund stellt, als die klügere Wahl.
Aufgrund der schwachen konjunkturellen Aussichten rechnen Sie auch bei den Ausrüstungsinvestitionen mit einem weiteren Rückgang des Leasing-Anteils. Wie stark wird dieser ausfallen?
"Die Attraktivität von Leasing für Unternehmen ist ungebrochen"
Conen: Zunächst möchte ich klarstellen: Der Leasing-Anteil wird voraussichtlich nicht aufgrund eines rückläufigen Neugeschäfts sinken. Lassen Sie mich das kurz erläutern: Die Ausrüstungsinvestitionen setzen sich aus den Investitionen der Unternehmen und der öffentlichen Hand zusammen. Die öffentlichen Ausgaben werden steigen, insbesondere für die Verteidigung. Militärisches Gerät zählt zwar zu den Ausrüstungsinvestitionen, ist jedoch kein klassisches Leasing-Gut. Leasing ist die klassische Investitionsform der Unternehmen. Die Attraktivität von Leasing für Unternehmen ist ungebrochen.
Die aktuellen Prognosen zur Entwicklung der Ausrüstungsinvestitionen deuten auf ein leichtes Wachstum oder möglicherweise eine Stagnation im nächsten Jahr hin, und das Leasing-Neugeschäft wird sich voraussichtlich analog entwickeln.
Viele Unternehmen brauchen dringend Liquidität. Ein bewährtes Instrument ist hier das Sale-and-Lease-Back, also der Verkauf von Ausrüstungsgegenständen oder Immobilien an ein Leasing-Unternehmen, vom dem diese sofort zurückgeleast werden. Sehen Sie hier Wachstumschancen?
Conen: Im Verhältnis betrachtet, handelt es sich bei Sale-and-Lease-Back (kurz SLB) eher um ein Nischengeschäft, insbesondere wenn es um die Beschaffung von Liquidität geht. SLB ist vielmehr eine Alternative bei Neuanschaffungen, bei denen aus verschiedenen Gründen die Leasing-Gesellschaft nicht direkt Eigentümer werden kann. Ein Beispiel hierfür wäre der Erwerb eines Kühltransporters, der nach dem Fahrzeugkauf noch umgebaut werden muss. In solchen Fällen erwirbt der Leasing-Kunde zunächst das Fahrzeug und nutzt die "End-Finanzierung" erst nach der finalen Auslieferung. Häufig wird SLB auch aus rein abwicklungstechnischen Gründen gewählt: Zum Beispiel, wenn es aufgrund der Komplexität des Wirtschaftsgutes einfacher ist, einen SLB-Vertrag zu schließen als mehrere Einzelverträge mit unterschiedlichen Laufzeiten.
Wie groß ist die Bedeutung von Leasing für die Finanzierung des Mittelstandes aus Ihrer Sicht überhaupt?
Conen: Sehr groß! Leasing ist inzwischen nicht mehr aus dem Wirtschaftsalltag und der Mittelstandsfinanzierung wegzudenken. Zurzeit sind in Deutschland Wirtschaftsgüter im Wert von mehr als 180 Mrd. Euro verleast. Jährlich werden etwa 1,8 Mio. Leasing-Verträge neu abgeschlossen, rund 85 Prozent davon mit mittelständischen Kunden. Unternehmensbefragungen zeigen, dass drei von vier Unternehmen ihre Investitionsvorhaben mittels Leasing realisieren. Die Vertragsdauer von Leasing kommt den individuellen Auftragsbüchern entgegen. Insbesondere mittelständische Unternehmen nutzten in den vergangenen Jahren verstärkt Leasing. Sie schätzen auch die Service-Angebote der Leasing-Gesellschaften wie Wartung, Reparatur oder Schadensmanagements rund um die Nutzung eines geleasten Fahrzeugs, einer Maschine oder IT-Ausstattung.
Hinzu kommt, dass Mittelständler selten direkten Kapitalmarktzugang haben. Ihre finanziellen Optionen sind somit eingeschränkt. Bilanzneutrale Finanzierungen wie Leasing haben eine große Bedeutung. Sie schonen Kapitalkennzahlen für anderen Investitionen.
"Ein ,Weiter so' wird uns Wohlstand kosten"
Frau Dr. Conen, Ihr Verband repräsentiert rund 140 deutsche Leasing-Gesellschaften und damit gut 90 Prozent des Leasing-Marktes in Deutschland. Eines Ihrer Ziele ist, darauf hinzuwirken, den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver zu gestalten. Wie zufrieden sind Sie mit den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen?
Conen: Leider ist es bittere Realität, dass Unternehmen inzwischen dreimal überlegen, ob sie am Standort Deutschland investieren oder doch lieber ins Ausland gehen. Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit wird durch – im internationalen Vergleich – zu hohe Energiekosten, Unternehmenssteuern und Abgaben, Fachkräftemangel, ein lähmendes Bürokratie-Dickicht, komplizierte Planungs- und Genehmigungsverfahren, eine teilweise marode Infrastruktur und mangelnde Digitalisierung beeinträchtigt. Ein „Weiter so“ wird uns Wohlstand kosten.
Deutschland muss daher unbürokratischer und schneller werden, angefangen bei der Digitalisierung der Verwaltung über den Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur bis zu Schnellverfahren zum Beispiel beim Bau von regenerativen Energieanlagen.
Aber Sie sind überzeugt, weiterhin Erfolgsgeschichte zu schreiben?
Conen: Absolut. Gerade in Zeiten des Wandels nimmt die Bedeutung von Leasing als Finanzierungsinstrument für Zukunftsinvestitionen, für die Bewältigung der digitalen und nachhaltigen Transformation, weiter zu. Anders als beim Eigentumserwerb ermöglicht Leasing den schnellen Wechsel zu neuen und umweltverträglicheren Technologien. Daher kann Leasing zum unternehmensstrategischen Instrument werden, um beispielsweise den eigenen CO2-Fußabdruck schneller abzubauen.
Darüber hinaus verfügen Leasing-Gesellschaften über eine ausgeprägte Objektkompetenz und kennen die Taxonomiekonformität ihrer verleasten Güter. Leasing-Expertinnen und -Experten können mittelständische Unternehmen schon bei der Auswahl der Wirtschaftsgüter beraten. Diese Expertise ist in Zeiten fehlender Fachkräfte ein enormer Vorteil für Unternehmen. An Leasing kommt daher kein Unternehmen vorbei, dass die Transformation ernsthaft angehen will.
Frau Dr. Conen, wir danken für dieses Gespräch!
Der Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen vertritt die Interessen der Leasing-Wirtschaft in Deutschland. Rund 220 Unternehmen sind Mitglied im BDL. Die BDL-Leasing-Gesellschaften repräsentieren etwa 90 Prozent des Gesamtmarktvolumens. Die Struktur der Leasing-Branche ist vielschichtig. Den Markt teilen sich große, meist auch international tätige Gesellschaften und eine Vielzahl kleiner und mittelständischer Leasing-Unternehmen. Derzeit sind in Deutschland Wirtschaftsgüter im Wert von mehr als 180 Mrd. Euro verleast. Mit einem jährlichen Neugeschäftsvolumen von rund 70 Mrd. Euro ist die Branche der größte Investor in Deutschland. Leasing ist in fast allen Wirtschaftszweigen präsent. Der Kundenkreis reicht vom Einzelhändler über den Mittelständler bis zum internationalen Konzern, aber mit einem starken mittelständischen Kern.