Die Szene der Unternehmensgründer in Deutschland und Europa war in den letzten Jahren gesegnet durch das Interesse von Investoren, welche gute Ideen gerne mit Eigenkapital untermauerten.
Das geschah in einem dynamischen Wachstumsumfeld mit vielen neuen Geschäftsmodellen aus den Bereichen Digitalisierung, e-Commerce oder Dienstleistung. Viele Privat Equity Funds tummelten sich am Markt, selbst sehr gut mit Kapital von privaten und institutionellen Investoren ausgestattet.
Das Klima an den Kapitalmärkten hat sich allerdings durch die Pandemie schon stark verändert, die Digitalisierungs-Modelle gewannen allerdings auch mit steigender Volatilität noch einmal richtig an Fahrt. Doch dann kam der Einmarsch Russlands in die Ukraine und die Welt veränderte sich ad-hoc. Durch den weltweiten Zins- und Inflationsanstieg gibt es jetzt kein Geld mehr zum Nulltarif, langfristige Finanzierungen kosten heute mindestens 250 Basispunkte mehr wie im Herbst 2021. Mit dem steigenden Fremdkapitalzins erhöhte sich auch die Renditeanforderung von Eigenkapitalgebern, denn der sogenannte „risikolose Zins“ hat nach 7 Jahren Abstinenz jetzt wieder eine ausdrückbare Größe erreicht. Für die nächste Sitzung der EZB geht es angesichts von Teuerungsraten jenseits der 7%-Marke somit nicht mehr um das „ob“, sondern das „wie stark“ die Leitzinsen nach oben angepasst werden müssen, um dem schleichenden Verfall der Gemeinschaftswährung Einhalt zu gebieten. Dies belastet Staaten und private Schuldner mit einer höheren Finanzierungslast.
In 2021 erreichte das VC-Finanzierungsvolumen mit über 17 Mrd. Euro eine neue Höchstmarke. Neugründer waren in den letzten Jahren mit Eigenkapital regelrecht verwöhnt worden, welches nun sukzessive knapper wird. Gleichzeitig ist die Vergabe neuer Gelder heute an mehr Anforderungen und Mitbestimmung geknüpft. Denn in den aktuellen Finanzierungsrunden müssen Geschäftsmodelle mit anderen Risikoparametern und Diskontierungssätzen leben können, wie in der vergangenen Niedrigzinsphase. Die ständige Höherbewertung von Runde zu Runde ist damit keine Selbstverständlichkeit mehr, denn sie entsteht nur noch, wenn die Wachstumsraten der Geschäftsidee auch der allgemeinen Preis- und Kostendynamik standhalten kann. Viele Geschäftsmodelle werden heute schon dadurch unprofitabel, wenn die Betriebskosten und der Bedarf an Rohmaterial auf die aktuellen Marktpreise neu kalkuliert werden müssen. Denn eine Kostenüberwälzung an den Konsumenten funktioniert kurzfristig nur, wenn der Abnehmer sich in der Lage sieht, die neuen Preise auch für sich zu akzeptieren oder seinerseits weitergeben zu können. Wenn nicht, leidet die Kundenbeziehung oder scheitert in den Prolongationsverhandlungen.
Der jahrelange Exzess an den Kapitalmärkten baut sich langsam ab, das hat nun auch eine stark kontraktive Wirkung auf die Risikobudgets in den privaten Geldgebermärkten. Wenn der Eigenkapitalgeber sich aufgrund einer anstehenden Eintrübung des Geschäftsklimas rarer macht und die Bewertungen durch steigende Zinsen und sinkende Margen den Rückwärtsgang einlegen, denkt ein Start-up auch wieder an die kurzfristigen Finanzierungsformen im Fremdkapitalbereich. Hier werden zwar auch viele Fragen gestellt, doch wenn ein greifbarer Cashflow für Zins- und Tilgung zur Verfügung steht, besteht hier zumindest die Möglichkeit, die ersten Preisanpassungsrunden gegenüber der Kundschaft auch mit ausreichender Liquidität zu überstehen.
Möchten Jung-Unternehmer die anstehenden Finanzierungsrunden also ohne „flat oder down rounds“ überleben, und auch keine großen Verwässerungen der Seed-Investoren in Kauf nehmen, so ist der Griff zum Telefon ein probates Mittel, um den Geschäftsbetrieb weiter mit Kapital auszustatten. Die Suche nach Fremdmitteln ist seit Jahresbeginn so hoch wie selten, denn nun laufen auch die Corona-Hilfen aus und müssen aus sinkenden Cashflows bedient werden. Möchte ein Gründer seine erreichte Bewertung aus den letzten Kapitalrunden am Leben erhalten, ist er quasi gezwungen, neue Finanzierungswege zu gehen. Davon profitieren flexible Finanzierungspartner, die gerade jetzt mit guten Ideen für Brückenfinanzierungen oder Betriebsmittelkredite zur Seite stehen. Das Zinsspektrum richtet sich nach den Gesellschafterstrukturen, dem Geschäftsmodell, dem erreichten Reifegrad und der Innovationsstärke des Unternehmens. Wer weniger Zins zahlen möchte, kann auch Eigenkapitaloptionen wie z.B. Wandelrechte oder umsatzabhängige Zins- und Tilgungsstrukturen einbauen lassen.
Das Fenster für Börsengänge oder Listings ist wegen des andauernden Verkaufsdrucks an den Märkten wohl bis ins nächste Jahr geschlossen. Venture-Capital-Fonds können sich damit auch weniger durch Exits refinanzieren und müssen für ihre Portfolio-Unternehmen neue Wege der Debt-Finanzierung erschließen. Sollten die geopolitischen Unsicherheiten noch länger andauern, ist an den Finanzierungsmärkten mit einer weiter sinkenden Liquidität zu rechnen, da sich die Eigenkapitalbasis der Investoren weltweit absenkt. Die Renditen im High-Risk-Bondmarkt haben sich im Durschnitt um 350 Basispunkte nach oben entwickelt, die Verzinsung von Junk-Anleihen nähert sich wieder dem zweistelligen Bereich.
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