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Warum ist die Inflation so tief?

Die Europäische Zentralbank hat den Einlagesatz weiter in den Negativbereich gesenkt. Damit will sie die Inflation erhöhen, die aktuell deutlich unter dem Zielwert liegt. Doch weshalb hat die Inflation trotz anhaltender Tiefzinsen nicht längst angezogen?

„Wer mit der Inflation flirtet, wird von ihr geheiratet!“ Die Warnung des ehemaligen Bundesbankpräsidenten Otmar Emminger scheint nicht mehr zu gelten. Schon fast verzweifelt versucht die EZB, die Teuerungsrate auf den Zielwert von knapp unter zwei Prozent zu erhöhen. Am 12. September senkte sie deshalb den Einlagesatz um zehn Basispunkte auf –0,5 Prozent. Zugleich kündigte sie an, das Anleihenkaufprogramm im November wieder aufzunehmen. Bisher scheint die Niedrigzinsstrategie allerdings nicht viel gebracht zu haben. Im August lag die Teuerungsrate im Euroraum bei bloß einem Prozent. Warum verharrt die Inflation trotz der seit mehr als fünf Jahren andauernden Negativzinsphase auf einem derart tiefen Wert?

Technischer Fortschritt und Sharing Economy

Eines vorweg: Die Ökonomen sind sich bei der Beantwortung dieser Frage nicht einig. Einen guten Überblick über einige der meistgenannten Gründe liefern zwei Volkswirte der amerikanischen Distriktnotenbank von St. Louis in ihrem Artikel „Why Is Inflation So Low?“. Als Hauptursachen für die niedrige Teuerung identifizieren sie den technischen Fortschritt, die Sharing Economy und den demografischen Wandel. Der technische Fortschritt reduzierte in den vergangenen Jahren die Preise vieler Güter. Beispielsweise verringerte das Smartphone die Nachfrage nach Geräten wie Kameras oder MP3-Player, was sich positiv auf deren Preise auswirkte. Außerdem verbesserte der technische Fortschritt die Arbeitsproduktivität, wodurch die Lohnstückkosten sanken.

Eine preissenkende Wirkung hat neben dem technischen Fortschritt auch die zunehmende Verbreitung der Sharing Economy. Crowd-basierte Märkte wie Airbnb oder Uber erhöhen die Produktivität, indem sie das Teilen wenig ausgelasteter privater Güter ermöglichen. Dadurch steigt der Wettbewerbsdruck auf konventionelle Angebote.

Alternde Bevölkerung und Globalisierung

Weniger offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen dem demografischen Wandel und dem sinkenden Inflationsdruck. Dennoch haben Länder mit einer älteren Bevölkerung typischerweise eine tiefere Teuerungsrate. Zur Erklärung verweisen die Ökonomen der St. Louis Fed auf eine japanische Studie. Nach dieser Untersuchung verliert in einer alternden Volkswirtschaft eine zunehmende Zahl älterer Arbeitnehmer die Stelle. Deren Kompetenzen sind jedoch spezifisch auf ihre ehemaligen Arbeitgeber ausgerichtet. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben sie nur wenige Qualifikationen zu bieten. Sie konkurrieren darum mit jungen Arbeitnehmern um Einsteigerjobs, was das Entgelt für einfache Arbeiten sinken lässt.

Unklar ist, ob die Globalisierung ebenfalls einen deflationären Beitrag leistet. Zwar findet eine Produktionsverlagerung in Billiglohnländer statt. Mit zunehmender Produktivitätssteigerung nehmen dort allerdings die Löhne zu und die Wechselkurse steigen.

Was ist schlecht an tiefer Inflationsrate?

Weshalb aber legen sich die Währungshüter überhaupt auf eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent fest? Wäre keine Inflation nicht besser? Nein, meinen die meisten Notenbanker und Geldtheoretiker. Als Begründung dient ihnen in erster Linie die Nullzinsgrenze. Der Nominalzinssatz lässt sich nicht allzu weit unter null Prozent senken, da die Wirtschaftssubjekte sonst beginnen, Bargeld zu horten. In einer Krisensituation benötigen die Zentralbanken indes Spielraum für Zinssenkungen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Eine positive Teuerung verschafft ihnen den Spielraum. Sie ermöglicht ihnen, den Realzins – den Nominalzins minus die Inflationsrate – mindestens um den Betrag der Teuerung in den Negativbereich zu senken. Zudem verringert die Inflation im Krisenfall die Reallöhne, ohne dass die Nominallöhne angetastet werden müssen. Eine Senkung Nominallöhne ist selbst bei schweren wirtschaftlichen Verwerfungen kaum durchzusetzen.

Befürworter einer moderaten Inflation führen darüber hinaus oft das Messfehler-Argument ins Feld. Sie gehen davon aus, dass die Verbraucherpreisindizes die stetigen Qualitätsverbesserungen bei technologiegetriebenen Gütern wie Computern oder Autos nicht angemessen berücksichtigen und daher die effektive Inflation überzeichnen. Für die USA hat der französische Wachstumsforscher Philippe Aghion berechnet, dass die Statistikbehörden die Teuerung zwischen 1983 und 2013 jährlich um bis zu einen Prozentpunkt zu hoch einschätzten. Das Zwei-Prozent-Ziel der Zentralbanken soll diesen Messfehler kompensieren und einen Puffer schaffen, damit es nicht zu einer gefährlichen Deflation kommt.

Im Übrigen erleichtert eine maßvoll positive Teuerungsrate die Tragfähigkeit der während des letzten Jahrzehnts deutlich angestiegenen Schuldenlast von Staaten und Privatwirtschaft. Eine zu tiefe Inflation könnte dagegen in den südeuropäischen Ländern einen erneuten Ausbruch der längst überwunden geglaubten Eurokrise bewirken.

Verursachen tiefere Zinsen tatsächlich Inflation?

Dass die Europäische Zentralbank eine solche Entwicklung zu verhindern sucht, ist Teil ihrer Aufgabe. Die Erfahrung der vergangenen Jahre lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob sie mit der Ausweitung ihrer Tiefzinsstrategie das Inflationsziel erreichen wird. Bereits hat sich in der Makroökonomie eine neue Denkschule entwickelt, die die Beziehung zwischen tiefen Zinsen und hoher Inflation grundsätzlich infrage stellt. Der sogenannte „Neo-Fisherismus“ bezieht sich auf die Fisher-Gleichung. Diese besagt, dass der Nominalzins dem Realzins zuzüglich der erwarteten Inflationsrate entspricht. Konventionelle Ökonomen interpretieren die Gleichung so, dass eine höhere Inflationserwartung zu höheren Nominalzinsen führt, eine tiefere Inflationserwartung zu tieferen Nominalzinsen. Die Neo-Fisherianer stellen den Zusammenhang auf den Kopf. Sie glauben, höhere Nominalzinsen befeuerten die Teuerung, tiefere Nominalzinsen wirkten sich hingegen bremsend auf die Inflation aus. Höchstens kurzfristig gestehen sie tieferen Zinsen eine preistreibende Wirkung zu.

Liegen sie richtig, wird die Medizin der EZB das Problem der anämischen Inflationsentwicklung nicht lösen. Gleichwohl könnte der Flirt mit der Inflation zu einer unverhofften Heirat führen: Es besteht nämlich die Gefahr, dass eine weitere Zinssenkung die schon bestehenden Preisblasen auf den Anleihen-, Immobilien- und Aktienmärkten weiter aufbläht. Das Platzen dieser Blasen hätte eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise zur Folge. Die Europäische Zentralbank hätte in einem solchen Szenario kaum noch Zinssenkungspotenzial und müsste sich auf unkonventionelle Maßnahmen beschränken, deren Wirksamkeit noch wenig erprobt ist. Die Banken, die wegen der niedrigen Zinsen ohnehin unter Druck stehen, wären im Krisenfall gezwungen, ihre Ausleihungen einschränken. Denn ihre Eigenkapitaldecke ist nach wie vor gefährlich dünn.

Auf unsichere Situation reagieren: Finanzierungsbasis breiter abstützen

Deshalb sollten mittelständische Unternehmen ihre Abhängigkeit vom Bankensystem reduzieren und ihre Finanzierungsbasis breiter abstützen. Ratsam ist vor allem eine Stärkung des Eigenkapitals. Zu diesem Zweck eignen sich insbesondere alternative Finanzierungsmethoden wie Mezzanine-Finanzierungen, Factoring, Finetradingund Leasing. Gerne beraten wir Sie bei der Erweiterung ihres Finanzierungsmixes. Als eines der führenden Finanzierungsportale Deutschlands arbeitet Finanzierung.com mit einer großen Zahl von Finanzierungspartnern zusammen. Dadurch sind wir in der Lage, für jedes Bedürfnis eine maßgeschneiderte Lösung zu finden.

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