Die politische Gemengelage in Europa gibt Anlass zur Sorge

Blick aus der Frauenkirche
4. Oktober 2022

Die Sorgenfalten in der EU-Kommission wachsen mehr und mehr. Hatte Ungarn in letzter Minute noch den Entzugsdrohungen von EU-Fördermitteln wegen neuerlicher Transparenzmaßnahmen im Zusammenhang mit vermehrten Nachweisen für Korruption abwenden können, so dürfen wir gespannt sein, wie die neue Mitte-Rechts Koalition unter Giorgia Meloni die wachsenden Probleme der EU in der südlichen Hälfte in den Griff bekommen möchte.

Frauenkirche München

Italien bewegt sich mit seiner von breiten Bevölkerungsschichten gewählten Regierung auf ein schwieriges Glatteis, denn die zur Wahl gemachten Versprechungen von Mitstreiter Silvio Berlusconi lesen sich wie ein wundersamer Spendentopf für eine unter Kostenstress stehende Bevölkerung. Der Rücktritt von Mario Draghi kam in einer Unzeit und ermöglichte den Machzuwachs einer laut Rasmus Andresen (EU-Abgeordneter) „antidemokratischen und antieuropäischen Regierung“. Um den allgemeinen Erwartungen zu entsprechen, hat sich die neue Regierung doch noch zur EU und zur NATO bekannt. Na dann!

Derweil sieht Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europaparlaments „schwere Zeiten für Europa aufziehen. Wer zeichnet sich nun verantwortlich für die 2,78 Billionen Euro Verschuldung, die der italienische Staat über die Jahre angehäuft hat und durch die stützenden EZB-Maßnahmen immer wohlwollend verlängert bekommen hatte. Die lange Zeit der niedrigen Zinsen sind längst vorbei, aktuell muss Italien sogar einen Risikoaufschlag in der Neuvergabe seiner Schuldtitel von rund 240 Basispunkten verkraften. Gegenüber einer 10-Jahresrendite von 2,15% in Deutschland bedeutet dies aktuell 4,55% für den wankenden Mittelmeerstaat. Mit einem Schuldenstand von 150% zum Brutto-Inlandsprodukt stehen die Italiener wieder in der europäischen Spitzengruppe der Schuldner. Und nun will der durch populistische Maßnahmen bekannte Polit-Rentner Silvio Berlusconi auch noch eine Minimalrente für seine älteren Mitbürger verankern. Das Programm der neuen Regierung sieht überdies viele Steuersenkungen vor, sowie eine Neuverhandlung von EU-Verträgen inklusive des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die Zeit drängt! Italien muss seine dringenden Reformen nun schnell in einer Agenda verankern, denn die durchschnittliche Restlaufzeit der ultra-niedrigen Refinanzierung ist mit 7 Jahren extrem knapp bemessen. Wie soll eine Neuschuldenaufnahme funktionieren, wenn die Zinsen einen Haushaltsanteil von 40% ausmachen? Im EU-Aufbaufonds sind für Italien ganze 200 Mrd. Euro vorgesehen, dazu müssen allerdings die Stabilitätskriterien der EZB eingehalten werden.

Neben der starken Reaktion auf der Zinsseite, geht der Euro nun seit Wochen Richtung Süden. Eh schon dauerhaft schwach auf der Brust wegen des andauernden Kanonenfeuers aus Moskau und der erdrückenden Energieversorgungslage in Mitteleuropa. Die Neuverschuldungen aller europäischen Staaten gehen wegen wichtiger Dauerthemen wie z.B. Zusatz-Aufwendungen für Pandemien und Zuwanderung schon länger dramatisch nach oben. Und wer in dieser Legislatur keine Ideen für spürbare Entlastungen der Bürger durchwinken kann, wird vermutlich in der nächsten Wahl scheitern. Die Ausgabenfreudigkeit ist also ungebrochen und schwächt die Gemeinschaftswährung weiter. Gegenüber dem US-Dollar hat der Euro seit 2021 bereits 25% an Wert verloren, auch der Schweizer Franken gewinnt fast täglich an Wert. Beide Währungen notieren schon deutlich unter der Parität zum Euro. Zu befürchten bleibt, dass der wirtschaftliche, technologische und geopolitische Abstieg Europas gegenüber der Welt weiter an der Gemeinschaftswährung nagen wird. Viele denken an 1999 zurück als der Euro in die Fußstapfen der Deutschen Mark als eine der härtesten Währungen weltweit trat. Wer heute zurückblickt, erkennt schon die Konturen der Lira 2.0.

In dieser Gemengelage braut sich ein dramatisches Szenario für unsere Konjunktur zusammen. Hohe Finanzierungskosten behindern die Beseitigung des seit Jahren vor sich hergeschobenen Investitionsstaus bei IT, Infrastruktur und Bildung. Gerade der Mittelstand steht wegen der Kostenexplosion in allen Bereichen mit dem Rücken zur Wand. So haben sich die Erzeugerpreise für die Herstellung von Waren über die Logistik, Beschaffung, Lagerhaltung und Energie im Jahresvergleich zu 2021 um mittlerweile um 45,8% erhöht. Eine derartige Inflationierung auf der Produktionsseite hat es seit Datenerhebung durch das Institut DESTATIS noch nie gegeben. Durch den starken Verlust der europäischen Kaufkraft verstärkt sich diese Abwärtsspirale noch deutlicher. Der Konsument kann die gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten nicht kompensieren und reagiert automatisch mit einer Absenkung der Anschaffungen außerhalb des Notwendigen. Für viele Menschen setzt sogar der Prozess des Entsparens ein, das bedeutet massive Wohlstandsverluste über die Zeit und Zusatzbelastungen für das staatliche Rentensystem infolge breiter Verarmung. Da diese zukünftigen Lasten auf einen nicht mehr leistungsfähigen Steuerzahler treffen und auch mangelndes Wachstum diese Lücke nicht mehr schließen kann, begibt sich Deutschland und Europa in eine gefährliche, andauernde Finanzierungsnot. Politisches Gegensteuern wie die strittige und nun abgewählte Gasumlage zugunsten einer Energiepreisbremse sind erste Schritte, um ein Übersteigen der 10%-Marke in der Teuerung zu verhindern. Die Preisdeckelung bedeutet zwar noch keine Umkehr, aber ein weiterer unkontrollierter Anstieg wird erstmal vermieden. Flankierend ist die EZB zur Euro-Rettung gezwungen die Zinsen weiter anzuheben, auch wenn der Kapitalmarktzins ökonomisch eigentlich tiefer sein müsste, um wieder Wachstum zu ermöglichen.

Nachvollziehbar können in so einem Umfeld auch die Immobilienpreise nicht mehr groß zulegen. Durch die gestiegenen Baukosten, die explodierenden Grundstückspreise und der Finanzierungsverteuerung ist der Immobilienerwerb für viele Bevölkerungsschichten gänzlich unmöglich geworden. Anstatt der ursprünglich erwarteten Erholung in Deutschland hat sich der Einbruch auf dem Hypothekenmarkt nach ersten Schockwellen im August auch im bisherigen September noch beschleunigt. Auch der Kapitalanleger wird durch die reduzierte Kaufkraft der Mieter auf keine großen Ertragszuwächse hoffen können, außer er scheut das Risiko einer Neuvermietung nicht. Da die Mietnebenkosten aber schon unverhältnismäßig steigen, dürfte der Spielraum für Mietzinsanhebungen allmählich begrenzt sein.

Insgesamt erfährt das Volksvermögen empfindliche Rückstufungen zu den Vorjahren, obwohl der Druck über die Indexierung der Lebenshaltungskosten eigentlich einen Zuwachs erfordern würde. Das Immobilienvermögen ist aber neben dem Aktien- und Rentenbesitz die Basis unseres langfristigen Wohlstands. Kommt es nun zur erwarteten Rezession in Europa, droht unserer Gesellschaft wohl der größte Wohlstandsverlust der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Ein Funken Hoffnung bleibt: Ein schnelles Ende des kriegerischen Konflikts könnte die Teuerung schnell eindämmen und die Energiepreis-Spirale zum Stoppen bringen. Dann atmet der Konsument wieder durch und leistet seinen Beitrag zur Genesung unserer Wirtschaft. Die aus den Fugen geratenen Lieferketten normalisieren sich und die der Geldumlauf legt wieder an Geschwindigkeit zu. Träumen ist erlaubt, die Realität ist hart genug!

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Das Kreditgeschäft benötigt weiterhin sehr gute Ideen und kreative Lösungen in einem äußerst fragilen Umfeld. Gerade der Mittelstand ist nun aufgerufen, seine Vermögenswerte zu prüfen und alle Möglichkeiten der Liquiditätsbeschaffung noch rechtzeitig vor Eintritt der bilanziellen Belastungen einzuleiten. Nimmt die Zahl der Insolvenzen zu, verringert sich der Risikoappetit der Geldgeber schlagartig. Die mögliche Tür für eine Beleihung von Vermögensgegenständen könnte sich daher schneller als erwartet schließen.

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