Das neue Jahr markiert einen Wendepunkt: Eine neue Regierung, wirtschaftliche Herausforderungen und globale Unsicherheiten prägen den Kurs Deutschlands. Doch wie kann das Land aus der Krise finden?
Von André Will-Laudien
Die Vertrauensfrage ist gestellt, der Bundeskanzler geht - somit ist der Weg für Neuwahlen frei. Egal was am 23. Februar an den Wahlurnen herauskommt, die Zukunft der Republik schreit nach Erneuerung. Für die Gesellschaft und unsere Industrie wirkt die Innen- wie Außenpolitik als Belastungsfaktor. So hat es die Ampel-Koalition bis zu ihrem Scheitern im November nicht geschafft, eine Initialzündung an Investitionsbereitschaft zu wecken. Unternehmer beklagen nach wie vor die belastende Bürokratie, welche trotz aller vollmundiger Versprechen beständig im Umfang wächst. Das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) hat die Anforderungen an die energetische Ausstattung von Neu- und Altbauten so stark reglementiert, dass verunsicherte Bauherren erstmal die Übergangszeit bis Ende 2024 genutzt haben um eine neue Gas- oder Ölheizung einzubauen. Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) meldete, dass der Verkauf von Gasheizungen im Jahr 2023 zeitweise um knapp 50 % gestiegen ist, verglichen mit dem Vorjahr. Besonders nach der ersten Vorstellung des GEG kam es zu einem regelrechten „Vorzieheffekt“, denn ab 2025 dürfen in Neubauten nur noch Heizsysteme verbaut werden, welche zu 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
Der Wohnungsbau in Deutschland hat 2023 und 2024 starke Einbußen erfahren. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen sank 2023 um etwa 20 % im Vergleich zum Vorjahr, und dieser Trend setzt sich 2024 fort. Besonders betroffen sind Einfamilienhäuser, bei denen die Genehmigungen um 25,7% zurückgegangen sind, während bei Mehrfamilienhäusern ein Absinken um 21,7 % zu verzeichnen war. Prognosen zufolge könnten im Jahr 2024 weniger als 200.000 Wohnungen fertiggestellt werden, was deutlich unter dem Ziel der Bundesregierung von 400.000 liegt und an den historischen Tiefststand von 2009 erinnert. Hauptgründe für diesen Einbruch sind die inflationär bedingt hohen Baukosten, deutlich gestiegene Zinsen sowie immer höhere Eigenkapital-Anforderungen bei Finanzierungen. Da sich Investoren stark zurückhalten, verschärft sich die Situation am Wohnungsmarkt erheblich. Durch die zuletzt starke Zuwanderung sind in Deutschland mehr als 3 Millionen neue Unterkünfte nötig, um eine vollständige Integration der neuen Bürger zu gewährleisten. Kommunen arbeiten am Rande ihrer Leistungsfähigkeit, um eine minimale Versorgung der Zugewanderten zu gewährleisten, die Kassen sind leer.
Mangelnde Manövriermöglichkeit durch exogene Faktoren. Der Russland-Ukraine-Konflikt befindet sich im dritten Jahr und fordert neben tausenden von Menschenleben immer höhere Transfer-Leistungen, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu gewährleisten. Neben Krediten und Sachleistungen in Form von Verteidigungstechnik an das überfallene Land, steht natürlich auch eigene Wehrfähigkeit, also die Modernisierung der NATO auf dem Plan. Deutschland hat seine Verteidigungsausgaben in den letzten beiden Jahren deutlich erhöht. Bis 2021 lagen die Ausgaben bei etwa 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit unter dem NATO-Ziel von 2 % des BIP. Für 2024 wird nun erwartet, dass Deutschland erstmals das NATO-Ziel erreichen und 2,1 % des BIP für Verteidigung ausgeben wird. Dies entspricht etwa 72 Mrd. EUR, bestehend aus rund 52 Mrd. EUR aus dem regulären Verteidigungshaushalt sowie zusätzlichen Mitteln aus dem 100 Mrd. EUR schweren Sondervermögen für die Bundeswehr. Diese Mittel sollen unter anderem für neue militärische Ausrüstung und Modernisierungen eingesetzt werden. Für 2025 wird ein leicht steigender Verteidigungshaushalt prognostiziert, da Bundesverteidigungsminister Pistorius bereits betont hat, dass die Ausgaben weiter anwachsen müssten, um langfristige Sicherheitsziele zu erreichen. Die Investitionen in die Verteidigung gelten als fix gegenüber anderen Haushalts-Sparten.
Das Bild des kranken Mannes von Europa macht die Runde. Zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik befindet sich das Land in einer tieferen Rezession. In wichtigen Industriezweigen wie Industrie und Automobile mangelt es an Wettbewerbsfähigkeit wegen hoher Standortkosten in Energie und Arbeit. Die Stimmung der Unternehmen in Deutschland hat sich weiter eingetrübt. Der ifo Geschäftsklimaindex sank im November auf 85,7 Punkte, nach 86,5 Punkten im Oktober. Dies war vor allem auf die schlechtere Beurteilung der aktuellen Lage zurückzuführen. Die Erwartungen sanken hingegen nur geringfügig. Der Umbau unserer Wirtschaft in eine nachhaltige Form ist wegen dringlicher Themen der Wachstumsförderung in den Hintergrund getreten.
Ein Blick über den Teich liefert viele Fragezeichen. Welche Weichen wird eine erneuerte Administration unter dem wiedergewählten Präsident Donald Trump international stellen? Neue Zölle statt Freihandel, höhere Grenzwälle statt freiheitliches Leben? Dass Donald Trump wiedergewählt wurde, war zu über 70 % von deutscher Seite nicht erwartet worden. Egal welche Partei in Berlin ab Februar das Zepter übernimmt, wegweisend für die Entwicklung Europas auch in Sachen Sicherheit und Frieden ist eine Übereinkunft mit Washington und den europäischen Partnern. Die transatlantische Abhängigkeit Europas hat sich in den letzten Jahrzehnten zwar etwas vermindert, weil die starke deutsche Wirtschaft eine politische Einigung Europas über EU-Transferleistungen ermöglichte. Nun hat sich das Blatt aber gewendet, Deutschland wird in 2025 vermutlich zu einem Schlusslicht im internationalen Konjunktur-Ranking absinken, die Mittel sind wegen sinkender Steuereinnahmen knapp. In wieweit sich Donald Trump an Versprechen der Vorgänger-Regierung halten wird, bleibt fraglich, denn auch der US-Kongress ist nun republikanisch. Somit kommen neben den Themen der Sicherung der Energieversorgung auch noch außenpolitische Herausforderungen hinzu. Selbst Amerika droht wegen des Erstarkens der BRICS-Staaten samt Abkehr vom US-Dollar international an Stellenwert zu verlieren. Innpolitisch gibt sich Trump natürlich unternehmerfreundlich und konservativ, das bestärkt die Aktienmärkte, lässt die Anleihenmärkte aber unbeeindruckt. Stärkeres Wachstum der Wirtschaft bedeutet auch eine manifestierte Teuerung, damit sind auch der amerikanischen Fed eher Fesseln angelegt.
Was wird von einer neuen Regierung erwartet? Deutschland braucht Investitionen in seine Wettbewerbsfähigkeit, gefragt sind somit steuerliche Anreize für Modelle, welches dieses Ziel fördern. Eine große Herausforderung, soll denn gleichzeitig die Schuldenbremse erhalten bleiben, denn auch die private Steuerlast wird gemäß Wahlversprechen perspektivisch eher sinken, damit das Konsumrad wieder an Schwung gewinnt. Neben Zukunftsthemen müssen Versäumnisse der näheren Vergangenheit behoben werden: Es sind dies die Erneuerung der Infrastruktur, die Absenkung der Bürokratie, die Förderung von Bildung und Forschung sowie eine schnelle Digitalisierung von täglichen Standardvorgängen. Ganz nebenbei müssen die Sozialkassen, allen voran die Kranken- und Pflegeversicherung stabilisiert werden. Ob es dann noch für die allseits geforderte Steigerung der Renten reicht, bleibt dahingestellt. Althergebrachte Routinen sind zu überdenken, die Zeitenwende und der unbestreitbare Klimawandel sollten entsprechende Berücksichtigung finden. Deutschland muss sich in die Lage versetzen, von der Migration zu profitieren, ohne sich in eine unheilvolle Finanzklemme zu bringen. Die innere Sicherheit bleibt eine zentrale Institution für unsere freiheitliche Gesellschaft, sie darf nicht durch politische Uneinigkeit über adäquate Maßnahmen ins Wanken gebracht werden. In den letzten 3 Jahren wurde viele Gesetze auf den Weg gebracht, welche auf keinem Grundkonsens in der Gesellschaft fußten, sondern dem Durchsetzungswillen der aktuell Regierenden entsprachen. Wer aber Meinungsfreiheit und Pluralität propagiert, sollte sich insbesondere bei wichtigen Zukunftsthemen im gesellschaftlichen Konsens bewegen ohne dabei Minderheiten vor den Kopf zu stoßen. Die innenpolitischen Herausforderungen können nur aus der demokratischen Mitte heraus gelöst werden.
Die europäische Einheit stärken. Eigentlich sollten Parteien, welche gegen die freiheitliche Grundordnung und die Rückabwicklung der europäischen Einigung arbeiten, keinen öffentlichen Zuspruch finden. Leider befinden sich die frisch gewählten Regierungen in unseren Nachbarländern eher in Zerstreuung und Unregierbarkeit wieder. Kurz vor der Europawahl hatte das hohe Haushaltsdefizit in Frankreich erste Konsequenzen. Die einflussreiche Ratingagentur S&P stufte die Kreditwürdigkeit des Landes auf AA- herunter. Die Europawahl machte die politischen Probleme der EU transparent, nun muss das neue Parlament mit einem starken rechten Flügel zurechtkommen. Noch besitzt Deutschland die mit AAA die höchste Kreditwürdigkeit. Sollte die Schuldenbremse fallen und ein Ausufern der Staatsfinanzen folgen, würden die Rating-Agenturen auch unsere Ausleihungen verteuern. Auch das schadet der EU.
FAZIT: Betrachtet man das BIP-Wachstum der letzten Jahre, so liegt Deutschland mit seiner krisengeschüttelten Automobilindustrie auf den hinteren Plätzen. Die USA landen zusammen mit China, Brasilien und Indien auf den vordersten Rängen. Im nächsten Jahr droht sich dieses GAP noch einmal zu vergrößern, Europa muss die Probleme am Schopf packen und an seinen Strukturen arbeiten, bürokratische Hürden abschaffen und zur technologischen Stärke zurückfinden. China hat sich das Thema E-Mobilität geschnappt, weil es außer Tesla keinen wirklichen Konkurrenten gibt. Das und einige weitere Punkte spiegeln sich nicht nur in der Wirtschaftsleistung wider, sondern auch in den Börsenständen. Im Ergebnis sind Aktien des S&P 500- Index doppelt so hoch bewertet wie europäische Titel. Vieles spricht dafür, dass dieses Szenario auch für das Neuorientierungsjahr 2025 zutreffen könnte.