Die Zukunft liegt in unseren Händen

Blick aus der Frauenkirche
13. Dezember 2023

Verspielen wir gerade, was unsere Väter in 70 Jahren Nachkriegsgeschichte aufgebaut haben? Statt über Probleme zu reden, müssen Lösungen her, findet unser Kolumnist André Will-Laudien

Frauenkirche

„Hurra, die Zinsen fallen wieder!“ Die Kapitalmärkte verändern gerade wieder ihre Sichtweise. Nach dem Zinsschock seit Anfang 2022 gab es weltweit so starke Anpassungen, wie schon lange in so kurzer Zeit nicht mehr. Der 30-jährige US-Treasury Bond stieg im November in der Spitze auf eine Rendite von 5,12 Prozent und fiel aufgrund einer etwas nachlassenden Inflations-Dynamik im Dezember auf 4,36 Prozent zurück. Nun versuchen die Investoren ihre negativen Gefühle bei Seite zu schieben, das Konsumentenvertrauen stabilisiert sich weit unten und der ifo-Geschäftsklimaindex kann sein niedriges Niveau von 87 Punkten zumindest knapp behaupten.

 Auch bei der Bundesregierung haben sich Sparzwänge aufgetan, selbst kreative Winkelzüge in der Finanzierung der sogenannten Klimatransformation wurden höchstrichterlich zu Fall gebracht. Alles deutet darauf hin, dass das Jahr 2024 von vielen Überraschungen und Neuerungen geprägt sein wird, denn bei der Steuereintreibung ist nun Kreativität gefragt, sollte es nicht gelingen, überdimensionierte Haushaltsposten zu beschneiden.

 Tiefe Tristesse herrschte noch im Spätsommer. Private haben den Immobilienkauf vorerst ad acta gelegt, selbst das neue Auto finanziert sich nicht mehr von allein. Bei den Unternehmen werden langfristige Investitionen auf die lange Bank geschoben, es wird nur noch das erledigt, was dringend sein muss. Dennoch ist das Produktionsniveau noch recht erklecklich, zumindest sorgt der Fachkräftemangel dafür, dass bestens Ausgebildete nicht mehr um ihren Job fürchten müssen.

 Im Gegenteil: Die diesjährigen Lohnrunden zeigten sich mit einem durchschnittlichen Anstieg von 6,3 Prozent auch von der freundlicheren Seite. Nun beginnt die lang vermisste Lohnaufholung auch zu greifen, denn die Inflation fiel in der Eurozone per November schon wieder auf 2,4 Prozent zurück. Damit rückt auch der EZB-Zielkorridor von 2,0 Prozent in greifbare Nähe und damit sind sie wieder erwacht, die Aussichten auf erste Zinsanpassungen nach unten. Im Winterquartal ist es Usus, dass kluge Banker und noch schlauere Analysten in die Ferne blicken und ihre Gefühle mit zugehörigen Fakten in passende Worte packen, wie es denn im kommenden Jahr weitergehen soll.

Werden wir uns unseren Sozialstaat noch leisten können?

 Zugegeben, leicht ist es nie in die Zukunft zu schauen, aber warum ist es heuer so richtig schwer? Da sind zum einen die vielen geopolitischen Auseinandersetzungen, die sich eher zum Schlimmeren manifestieren als sich in Luft aufzulösen. Mit traurigen Augen blicken wir auf die vielen Todesopfer hier und da: Hat nicht von Grundgesetz wegen jeder Mensch ein Recht auf Unversehrtheit, egal welcher Hautfarbe, Herkunft und Religion? Wir erkennen, dass der Frieden in vielen Ländern mit Füßen getreten wird, was zählt, sind die Überzeugungen der Diktatoren und Geblendeten.

 Schon jetzt weiß die EU, dass der Wiederaufbau der Ukraine eine Mammut-Finanzierungsaufgabe sein wird, egal ob das Land die Beitrittskriterien fristgerecht erfüllen kann oder nicht. Der Wille zur Hilfe ist übermächtig, haushaltspolitische Diskussionen sind in diesem Bereich nicht erlaubt, führen aber über die volkwirtschaftlichen Ausgleichsmechanismen zu zwanghaften Einschnitten in anderen Bereichen. Ob sich Deutschland seinen übermächtigen Sozial- und Staatsapparat überhaupt noch wird leisten können, werden irgendwann die Rating-Agenturen entscheiden müssen. Denn wer Geld nur mit beiden Händen ausgibt, dabei aber seine Infrastruktur und Wertschöpfung weiter am Boden hält, wird früher oder später einen dramatischen Einbruch im Steueraufkommen erleben müssen. Eine derartige Verschlechterung der Angebotsbedingungen hat es seit Bestehen der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Verlust der Geldwert-Stabilität, die höchste Staatsquote aller Zeiten sowie die weltweit höchsten Steuern und Energiekosten. Respekt an den, der hier noch Lachen kann und fröhlich weiterkonsumiert!

Wir sind viertgrößte Wirtschaftsnation – noch

Somit wird für uns Bürger klar: Eine Einschätzung über die Zukunft kann man heute gar nicht mehr treffen, denn unser Leben ist fremdbestimmt durch EU-Regularien und selbstauferlegter Wohlverhaltensakrobatik. Der Begriff Einkommen ist schon lange nicht mehr an eine Leistungsgröße gebunden, sondern entspringt einer eigenen Arithmetik, die sich wiederum an Kriterien ausrichtet, die der Staat nicht einmal mehr kontrollieren kann. Selbst eine akademische Auseinandersetzung unter Anwendung geltenden Rechts ist gesellschaftlich nicht mehr erwünscht, somit heißt es für einen Großteil der Bevölkerung „mitgehangen, mitgefangen“. Kein Wunder, dass die politische Mitte heute nur noch schwerlich definiert werden kann und im aktuellen Spektrum gar nicht mehr vorhanden scheint.

Die heutige Jugend hat es nicht leicht, in die Fußstapfen der Vorfahren zu treten. Denn die haben mit Arbeit, Fleiß und Innovation ein 70 Jahre andauerndes deutsches Wirtschaftswunder hervorgebracht. Die aus Tugend und Qualitätsdenken entstandene Industriegüter-Kultur namens „Made in Germany“ hat diesem Land einen unbeschreiblichen Wohlstand beschert, um den uns die ganze Welt beneidete. Nicht zuletzt warf dieses Wirtschaftssystem so viel ab, dass auch Sozialleistungen für alleinerziehende Mütter, arme Familien und Rentner oder Menschen mit Behinderung gezahlt werden konnten. Im weltweiten Ranking kann Deutschland seinen vierten Rang unter den leistungsfähigsten Volkswirtschaften hinter Japan und vor Indien gerade noch behaupten. Aber es wird schwieriger, denn zum allgemeinen Leistungsdruck gesellen sich Alltagssorgen, die den Babyboomern noch erspart blieben.

77 Jahre Frieden in Deutschland und Mitteleuropa haben eine Wohlfühlkultur geschaffen, welche für die persönliche Entwicklung der Heranwachsenden verlässliche Rahmenbedingungen bereithielt. Jeder leistungswillige Teilnehmer der Gesellschaft konnte sich frei und ohne große Einschränkungen ein Umfeld aufbauen, das eine wohldefinierte Entwicklung in jegliche Richtung erlaubte. Der Grad an Freiheit war groß und individuell fühlbar, negative Einflüsse von außen gab es allenfalls in Form einer Energiekrise. Sie wurden aber nicht zum Showstopper für eigene Ziele und Wünsche.

Die Jugend hat Lust auf Zukunft – aber wie wird sie aussehen?

Seit der Corona-Pandemie und ihren facettenreichen Begleiterscheinungen ist das Wort „Freiheit“ aber anders definiert. Staatliche Eingriffe in die intimsten Bereiche der Gesellschaft sind erlebbar geworden, der Grad an fremdbestimmter Regulatorik nimmt seither beinahe täglich zu. Zu diesem Szenario gesellen sich nun auch noch kriegerische Konflikte, die medial immer weiter in das Bewusstsein der Menschen rücken. Die Babyboomer werden jetzt sukzessive 60 Jahre alt und blicken auf eine lange Arbeitsstrecke zurück. Mit Stolz auf das Erreichte, treibt es dieser Gruppe nun ernste Sorgenfalten auf die Stirn, wo zu Lesen steht: Wird es noch für uns reichen? Wer übernimmt die Verantwortung für das Geschaffene? Wie findet die nachhaltig gespaltete Nation einen sicheren Weg durch die herausfordernden Themen dieser Zeit?

Die heutige Generation spürt, dass das Vermögen der Vorfahren vermutlich nicht mehr reichen wird, um sich darauf ausgeruht zu entwickeln. Sie weiß auch längst, was das Wort „Teilen“ zu bedeuten hat. Sie wollen den Planeten Erde besser behandeln, als es die Generationen vor ihnen getan haben. Insbesondere will die Jugend verschont sein von kriegerischem Zerstörungswahn und eher den alten Philosophen zuhören als den Diktatoren unserer Zeit. Und sie wollen einen Staat zurück, der seine Bevölkerung wie ein „Nachtwächter“ beschützt, ohne in das tägliche Leben einzugreifen. Davon haben die Eltern und Großeltern so gerne am Esstisch erzählt.

Unsere Jugend hat jedenfalls „Lust auf die Zukunft“, will innovativ sein, moderne Technologien nutzen, Freiheit genießen und ein lebenswertes Ziel vor Augen haben. Geplagt von Hiobsbotschaften über die zunehmende Umweltzerstörung, ausufernder Schuldensysteme und geopolitischer Instabilität suchen sie nach Ideen für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Wohlstand. Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, bringt es auf einen Punkt: „Lassen Sie uns vermehrt über Lösungen anstatt über Probleme sprechen.“ Ihr Wort in Gottes Ohr, denn mit der Sicherung unseres Wohlstandes scheint sich eine Mammutaufgabe zu stellen. Sie gilt es trotz aller Stürme und Andersdenkender zu bewältigen, denn es steht viel auf dem Spiel.


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