Strafzölle, Vergeltungszölle und Vergeltungszölle auf Vergeltungszöllen: Seit US-Präsident Trump an der Zollschraube dreht, droht die Gefahr eines internationalen Handelskriegs. Was bedeutet dies für die deutsche Wirtschaft?
„Make America great again!“ Unter diesem Wahlkampfmotto versprach Präsidentschaftskandidat Donald Trump seinem Publikum alles Mögliche und Unmögliche. So gelobte er, einmal im Amt, Amerikas gebeutelte Industrie in neuem Glanz erstrahlen zu lassen – durch protektionistische Maßnahmen. Kaum jemand nahm solche Wahlkampfaussagen ernst. Ein Fehler, wie sich jetzt zeigt!
Erste Strafzölle seit 1. Juni in Kraft
Im Januar des laufenden Jahres verhängte der amerikanische Präsident Strafzölle auf Waschmaschinen und Solarmodule. Zwei Monate später folgten Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Die Europäische Union blieb zwar zunächst davon verschont. Doch seit dem 1. Juni gilt auch auf Stahl- und Aluminiumimporten aus Europa eine Einfuhrabgabe von 25 respektive 10 Prozent.
Europäer und Chinesen reagieren mit Gegenzöllen
Die Amerikaner begründen die Zölle mit nationalen Sicherheitsinteressen. Ohne Zollschutz werde Amerika bei der Produktion von Rüstungsgütern vom Ausland abhängig, behaupten sie. Für die EU ist jedoch klar, dass es sich dabei um einen Vorwand handelt. Sie hat deshalb am 22. Juni Vergeltungszölle auf Motorräder, Schiffe, Jeans, Whisky und andere US-Produkte in Kraft gesetzt. Die Warengruppen wurden so gewählt, dass die Zölle vor allem Gebiete treffen, in denen die Wähler von Donald Trump zu Hause sind.
Handelskonflikt weitet sich aus
Aber Trump wäre nicht Trump, wenn er dies auf sich sitzen ließe. Per Twitter drohte er mit einem 20-prozentigen Zoll auf europäische Importautos. Mit China ist der Handelskonflikt bereits weiter gediehen. Kürzlich gaben die USA bekannt, ab 6. Juli neben Stahl und Aluminium weitere 1102 chinesische Produkte im Wert von 50 Milliarden Dollar mit Strafzöllen zu belegen. Die Chinesen reagierten prompt. Ebenfalls ab 6. Juli wollen sie Vergeltungszölle auf 659 amerikanischen Warengruppen im selben Gegenwert erheben.
Stahlindustrie am meisten betroffen
Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft sind dies keine guten Nachrichten. Am meisten betroffen ist derzeit die Stahlindustrie. Deutschland lieferte 2016 bei einem Stahlexport von insgesamt 21 Millionen Tonnen rund eine Million Tonnen Stahl nach Nordamerika. Mithin bleiben die unmittelbaren Folgen der Zollbelastung überschaubar. Größere Auswirkungen dürften indes durch die US-Zölle verursachte Handelsumlenkungen haben. Insbesondere ist zu erwarten, dass chinesische Stahlerzeugnisse (China ist für die Hälfte der weltweiten Rohstahlproduktion verantwortlich) die europäischen Stahlpreise in den Keller drücken werden.
Bald auch deutsche Autoexporte betroffen?
Deutlich schwerwiegender wären die Folgen, wenn Trump seine Drohung wahr machen und Autoimporte aus Europa mit einem 20-prozentigen Einfuhrzoll belegen würde. Die USA sind für die deutsche Autoindustrie der wichtigste Exportmarkt. Von den Fahrzeugen und Fahrzeugteilen im Wert von 235 Milliarden Euro, die Deutschland 2017 exportierte, gingen zwölf Prozent in die Vereinigten Staaten. Besonders schlimm wären Strafzölle für mittelständische Zulieferbetriebe. Die Autohersteller würden wohl ihre Marktmacht dazu nutzen, einen Teil der durch die Zölle verursachten Margen- und Umsatzverluste an ihre Zulieferer weiterzugeben. Zudem können kleinere Zulieferbetriebe – anders als die großen Autokonzerne – die Produktion nicht einfach in die USA verlagern.
Eskalationsgefahr
Allerdings bietet auch ein Produktionsstandort im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zurzeit nicht nur Vorteile. So musste Daimler am 20. Juni eine Gewinnwarnung veröffentlichen, weil der Autobauer in China einen Absatzrückgang bei seinen in den USA gefertigten SUVs erwartet. Die Chinesen planen nämlich, die Einfuhrzölle für amerikanische Autos von 25 auf 40 Prozent zu erhöhen.
Schaden an der deutschen Wirtschaft
Im Moment haben die punktuellen Strafzölle geringe Auswirkungen auf die deutsche Gesamtwirtschaft. Die Bundesbank rechnet für das laufende Jahr mit einem soliden Wirtschaftswachstum von zwei Prozent. Immerhin war sie im letzten Dezember noch optimistischer. Damals ging sie von einem Wachstum von 2,5 Prozent aus. Bewirken die amerikanischen Strafzölle jedoch eine immer schneller drehende Spirale an Maßnahmen und Gegenmaßnahmen, kann es schnell zu einer Rezession kommen.
Geschichte sollte Amerikanern eine Lehre sein
Als die Amerikaner 1930 mit dem Smoot-Hawley-Gesetz schon einmal versuchten, ihre Wirtschaft durch umfassende Zölle zu schützen, lösten sie eine weltweite Protektionismuswelle aus. Die Folgen waren gravierend. Zwischen 1929 und 1933 brach die globale Außenhandelsquote um 43 Prozent ein. Das Volumen der deutschen Exporte schrumpfte im selben Zeitraum von 13,5 auf 4,9 Milliarden Reichsmark.
Viele Banken sind nicht krisensicher
Von einer solchen Entwicklung sind wir heute – Gott sei Dank – noch weit entfernt. Trotzdem: Eine Krise träfe die deutsche Wirtschaft zu einem schlechten Zeitpunkt. Denn obwohl die letzten Jahre ein erfreuliches Wachstum brachten, sind die Auswirkungen der letzten Finanzkrise noch nicht restlos überwunden. Aufgrund der nach wie vor fragilen Wirtschaftslage in Südeuropa bleibt die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank expansiv. Die Zinsen sind so tief, dass kaum zusätzliches Senkungspotenzial besteht. Und die Banken verfügen weiterhin über ein extrem dünnes Eigenkapitalpolster. Beispielsweise wies die Deutsche Bank zum Ende des letzten Jahres eine ungewichtete Eigenkapitalquote (Leverage Ratio) von gerade einmal 4,1 Prozent aus!
Finanzierungsportfolio diversifizieren
Bei derart tiefen Werten braucht es nicht viel, um erneut eine Bankenkrise auszulösen. Die Folge wäre – wie während der Eurokrise – eine Kreditklemme, die vor allem kleine und mittlere Unternehmen trifft. Dass die neue EU-Eigenkapitalrichtlinie (CRD IV) einen Kapitalerhaltungspuffer vorsieht, der in Krisenzeiten abgebaut werden kann, hilft kaum, eine solche Kreditverknappung zu verhindern. Der Puffer ist mit 2,5 Prozent (gemessen an den risikogewichteten Aktiven) viel zu gering, als dass er die prozyklische Wirkung der Eigenkapitalvorschriften für die Banken eindämmen könnte.
Entsprechend tun kleine und mittlere Unternehmen gut daran, die einseitige Abhängigkeit von ihrer Hausbank zu beschränken. Nur wer sein Finanzierungsportfolio rechtzeitig diversifiziert, ist in der Lage, Liquiditätsprobleme zu vermeiden, wenn die Banken im Krisenfall ihre Kreditvergabe zurückfahren.